Anni Grumbach

Interview mit Anni Grumbach aus Garching an der Alz
Landkreis Altötting

Anni grumbach

 

Ich bin am 21. November 1939 in Sauerlach als uneheliches Kind geboren. Dort gab es schon ein Entbindungshaus, da war eine Hebamme, deren Schwester hat bei meiner Geburt assistiert und hat meine Mutter entbunden. Nach acht Tagen ist meine Mutter wieder arbeiten gegangen und ich bin zu Pflegeleuten gekommen.

 

 

Frage: Hat Ihre Mutter Sie also zur Adoption freigegeben?

Anni Grumbach:

Nein, zur Pflege. Meine Mutter war als  Dienstmagd in der Landwirtschaft tätig. Die Pflegefamilie Bertold wohnte  auch im Dorf Sauerlach und hatte eine eigene Tochter, die fünf Jahre älter als ich war.

Frage: Lebte diese Familie auch von der Landwirtschaft?

Anni Grumbach:

Nein, Karl Bertold war bei der Bahn beschäftigt. In dieser Familie blieb ich, bis ich vier Jahre alt war. Dann musste meine Mutter ihrer Familie aushelfen – das war auch eine Pflegefamilie – , da der Vater und der Sohn in den Krieg eingezogen wurden. Das war ein kleiner Bauernhof. Da hat sie mich mitgenommen, das war etwa zwanzig Kilometer Sauerlach entfernt. Dort war ich dann wieder vier Jahre.

Frage: Nun waren also Mutter und Tochter zusammen?

Anni Grumbach:

Ja, das war so. 1947 – ich war damals acht Jahre alt – hat meine Mutter geheiratet und ist dann nach Feichten (www.feichten.de) gekommen, der Ehemann hat dort gelebt in der Nähe vom Bahnhof in einem „Zurhäuserl“. Dort haben wir dann gewohnt in einem Raum von etwa dreißig Quadratmetern. Vorher lebte seine Mutter in dieser Wohnung und mein Stiefvater war auf einem Bauernhof beschäftigt als Knecht. Als er dann meine Mutter heiratete, hat er dort aufgehört und ist bei der SKW Trostberg angefangen.

Die SKW Trostberg AG war ein Chemieunternehmen mit Sitz in Trostberg/Oberbayern.Wikipedia)

Dieses Kalksickstoffwerk war sechs Kilometer entfernt. Er fuhr mit dem Fahrrad dorthin und arbeitete in Schicht. Das war eine harte Arbeit.

Frage: Das war aber doch eine Verbesserung im Vergleich zur Arbeit als Knecht?

Anni Grumbach:

Auf alle Fälle. Aber wir sind dann umgezogen in ein „größeres Zimmer“. Bei diesem Bauern musste er, wenn er Nachtschicht gehabt hatte, in der Ernte helfen. So hat er dann einen Teil der Miete abgearbeitet. Er konnte dann in dieser Nachtschichtwoche nur ganz wenig schlafen.

Frage: Haben Sie denn bei diesem Bauern als Kind auch mithelfen müssen?

Anni Grumbach:

Ich war damals zehn Jahre alt und musste natürlich auf dem Hof regelmäßig helfen. Dazu gehörten Arbeiten wie Kühe hüten und ausmisten. In der Ernte musste ich in der Heu- und Getreideernte die Pferde vorne am Kopf nehmen und jeweils weiterfahren.

 

wird fortgesetzt!

zu Ostelbien

Uneheliche Schwangerschaften in Preußen

Die Anstellung als Knecht  oder Magd bedeutete in der Regel zugleich den Verzicht auf die Ehe während der gesamten Dienstzeit.

In seinem Buch „Die Agrarfrage“ schreibt Kautsky dazu im Jahre 1902: Der Geschlechtstrieb läßt sich dadurch freilich nicht beeinflussen, aber er wird oft auf unnatürliche Bahnen gedrängt, um eine Nachkommenschaft nicht aufkommen zu lassen. Erweist sich die Natur stärker als alle künstlichen Vorkehrungen, dann greift die unglückliche Mutter mitunter zum Verbrechen, um sich ihrer Leibesfrucht zu entledigen. Sie weiß nur zu gut, warum, denn weder ihr noch ihrem Kinde winkt eine erfreuliche Zukunft. Die uneheliche Kinder werden den ungünstigsten Verhältnissen ausgesetzt, ein großer Teil von ihnen stirbt frühzeitig, ein anderer nicht geringer Teil bevölkert später die Zuchthäuser.

Dabei wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der außereheliche Geschlechtsverkehr des ländlichen Gesindes eine logische Folge der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei und mit den Demütigungen und unwürdigen Lebensverhältnissen eng verbunden sei. So führt schon Friedrich Engels mangelnde Moral unter den englischen Industriearbeitern auf soziale und materielle Missstände zurück. (Seite 145)

So wurde in einer Untersuchung im Raum Bautzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich festgestellt, dass durch die Verhinderung einer legalen Ehebindung des bäuerlichen Gesindes der außereheliche Geschlechtsverkehr üblich sei, auch wenn dabei gegen die christliche Moral verstoßen wurde. Nur so ist die ansehnliche Zahl der von den Mägden geborenen unehelichen Kinder zu erklären, wobei angenommen werden kann, dass die Anwendung von empfängnisverhütenden Mittel und Methoden kaum gebräuchlich gewesen sein wird. (Seite 64)

Während in der Oberlausitz schwangere Dienstmädchen in städtischen Haushalten um 1890 noch schonungslos und fristlos entlassen wurden, änderte sich auf dem Lande angesichts eines zunehmenden Mangels an Mägden die Anwendung der ansonsten strengen Gesindeordnung. Allerdings bedeutete das keineswegs die Gewährung von Erleichterungen bei der täglichen Ausübung der Arbeit bis direkt vor der Niederkunft.

Nun stellte aber die Unterbringung der Kinder ein gewichtiges Problem dar. Sie mussten weg gegeben werden zu sogenannten „Ziehmüttern“, was nur unter großem finanziellem Aufwand möglich war. Das uneheliche Kind einer Magd war also eine unerwünschte Last und hatte damit zu verschwinden.

Es kam angesichts der mangelnden medizinischen Versorgung durchaus vor, dass bei der Entbindung bei der Mutter nachhaltige körperliche Schäden entstanden, die eine harte landwirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr zuließen. Dann bestand in einigen Fällen die Möglichkeit, dass diese jungen Frauen in der Stadt eine Anstellung als Amme erhielten.

Eine Generalverordnung der Bautzener Kreisdirektion aus dem Jahre 1840 über die Beaufsichtigung außerehelicher Entbundener gibt einen Einblick in die bedrängte materielle und soziale Lage lediger Mägde:

Von der Direktion der Entbindungsanstalt zu Dresden ist die Wahrnehmung gemacht worden, daß manche der daselbst außerehelich Entbundenen nicht allein das sittenloseste und ungebührlichste Benehmen in dieser Anstalt an den Tag gelegt, sondern auch einen so gänzlichen Mangel an Mutterliebe, verbunden mit der größten Rohheit der Gesinnung überhaupt, bewiesen haben, daß die Absicht, ihren Leibesfrüchten Verderben und Untergang zu bereiten, nicht zu bezweifeln sei.

Das Königliche Ministerium des Inneren hat da sehr (…) für nötig befunden, daß sämtlichen Polizeibehörden des Landes anempfohlen werde, wenn ihnen von besagter Anstaltsdirektion dergleichen Fällen der Verworfenheit und Rohheit solcher Subjekte namhaft gemacht werden, teils eine gleichmäßige Vigilanz über die in ihre bezüglichen Bezirke entlassenen Entbundenen dieser Kategorien zu führen, teils ihnen die nach der Gewerbeordnung erforderliche Legitimation zum Antritt von Ammendiensten wegen zu befürchtender Verwahrlosung der ihnen anvertrauten Säuglinge zu verweigern, teils womöglich für tunlichst für sichere Unterbringung solcher unehelicher Kinder Sorge zu tragen.

Angefügt ist als Beispiel die Lage einer 28 -jährigen Magd Agnes Bielog aus Uhyst an der Spree im Jahre 1866:

Sie sei die Mutter eines außerehelichen, gegenwärtig 1 ½ jährigen Kindes. Nachdem sie dieses Kind in Uhyst a. d. Spree bis Anfang dieses Sommers bei sich gehabt und dabei dort auf Handarbeit gegangen sei, so habe sie sich auf Zureden ihrer Schwester Maria verehel. Mroske auf hiesiger Seidau entschlossen, das Kind gegen 16 Neugroschen Ziehgeld zu dieser in Pflege zu geben und sich selbst anderweitig zu vermieten. Einen Dienst habe sie bei dem … Ökonomen Nostitz gefunden, habe sich vorläufig bis zu … 1866 an diese als Magd vermietet… . Nun sei aber … der Ehemann ihrer Schwester Mroske an der Cholera verstorben, auch die Schwester selber sei erkrankt und deren Kinder hätten demzufolge müssen in der zum Waisenhause eingerichteten Kinderbewahranstalt auf der Seidau einstweilen untergebracht werden…

Des weiteren gibt Bielog an, man habe ihr ihr Kind zurückgegeben, es sei kränklich und niemand wolle es für 16 Neugroschen als Ziehkind nehmen. Sie habe daher Herrn Nostitz gebeten, ob es sich mit ihrem Dienstverhältnisse bei ihm vereinigen würde, wenn sie das Kind mit bei sich hätte, derselbe habe dies inzwischen abgelehnt… (Musiat, Seite 64, 65)

Insgesamt findet sich noch heute in den Erzählungen älterer Zeitzeugen die eindeutige Aussage, dass damals ledige Mütter als Dienstpersonal besonderen Diskriminierungen und Demütigungen ausgesetzt waren. Fand sich unter den Knechten in der Folgezeit kein Ehepartner, sah das weitere Leben dieser jungen Frauen nicht rosig aus. In einigen Fällen zogen sie sich in ihr Elternhaus zurück und mussten dort zumeist ein armseliges und einsames Dasein fristen – selbst innerhalb der Verwandtschaft.

Musiat, Siegmund: Zur Lebensweise des landwirtschaftlichen Gesindes in der Oberlausitz, Bautzen 1964.

Kautsky, Karl: Die Agrarfrage, Stuttgart 1902

Engels, Friedrich: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, Leipzig 1845

 

 

 

 

Besitzlose im Alter

Katharina Mittelbacher (Jahrgang 1920) erinnert sich:

Therese Weber, Mägde, Wien 1991, Seite 67/68

Als der Krieg zu Ende war, hatten sich die Gesundheit und Kräfte meiner Eltern durch die vielen Jahren der Schinderei verbraucht. Mein Vater mußte sich einer Augenoperation unterziehen. Der Bauer besuchte ihn nur einmal während des langwöchigen Krankenhausaufenthaltes, und er brachte ihm eine Kleinigkeit mit. Nach der Augenoperation stellte sich bei Vater eine schwere, unheilbare Krankheit ein, von der er sich nicht mehr erholen konnte, und er starb. In der letzten Zeit seines mehr als einjährigen Krankenhausaufenthaltes besuchte ihn der der Bauer noch einmal. Er brachte ihm aber nicht das kleinste Geschenk mit. Das kränkte Vater sehr, daß der Bauer, der ein Schul – und Jugendfreund von ihm war und für den er sehr viel ohne Gegenleistung getan hatte, so im Stich ließ.

Meine Mutter hatte das Alter erreicht, in dem sie Anspruch auf eine Rente gehabt hätte. Den Großteil ihres Lebens hatte sie bei diesem Bauern verbracht. Sie brauchte von ihm eine Bestätigung über die geleisteten Arbeitsjahre. Die gewünschte Bestätigung wurde ihr mit der Ausrede verweigert, daß der Bauer über die ersten Jahre ihrer Dienstzeit keine Aufzeichnungen gemacht hatte. In Wirklichkeit wußte der Bauer ganz genau, wie lange Mutter am Hof gearbeitet hatte. Doch damit nicht genug. Wenige Wochen nach dem Tod meines Vaters kündigte er die Wohnung, die meine Eltern mit großem finanziellem Aufwand in Stand gesetzt hatten. Erst nach langer Streiterei bekam sie einen Großteil ihrer Aufwendungen ersetzt. Als Arbeitskraft war meine Mutter für ihn wertlos geworden.

Zeitzeugen als Gewährsleute

Die Wichtigkeit der Gewährsleute

Die Aussagekraft der Interviews von ledigen Müttern und unehelich geborenen Kindern übersteigt deutlich den historischen Fakten, die die Historiker schriftlichen Quellen entnehmen können. Zwar können amtliche Statistiken und Taufverzeichnisse genaue Angaben vermitteln über die jeweiligen Zahlen der unehelichen Geburten in den untersuchten Orten und Regionen.

Dabei erfährt man allerdings  aus solchen Quellen nicht, was eine uneheliche Geburt für die Betroffenen in der Realität bedeutete, etwa dass die ledige Mutter als Bauernmagd nicht im geringsten geschont wurde, dass sie bis 20. Jahrhundert hinein mit dem Schandzeichen der Strohkranzes am Sonntag vor der Kirchentür zu stehen hatte. Heute kaum noch vorstellbar ist, dass es als unangemessen galt, wenn die Tauffeier des unehelichen Kindes genauso feierlich gestaltet wurde wie die eines ehelichen geborenen Säuglings. So wuchs dieses  Kind häufig unter sehr schlechten Bedingungen als „Ziehkind“ bei fremden Leuten auf, für das die ledige Mutter ihr schwer verdientes minimales Geld in der Regel komplett musste und damit jegliche Chance auf ein besseres Leben verpassen musste.

Die nachfolgenden Zeitzeugen als Gewährsleute wurden im Laufe des Jahres 2015 persönlich besucht.

Die Interviews wurden auf Video aufgenommen und sollen nach und verschriftlicht werden.

 

Gewährsleute als Zeitzeugen

 Die Wichtigkeit der Gewährsleute

 Eine Bereicherung der Geschichtsschreibung

 Während der letzten 20 Jahre haben die Recherchen rund um das Heuerlingswesen es immer wieder erfordert, ältere Zeitzeugen aus allen Lagern der Bevölkerung in Nordwestdeutschland zu den von ihnen selbst erlebten und von Gewährsleuten erfahrenen historischen Fakten zu befragen.

 Diese individuell entstandenen Dokumente in Verbindung zu bringen mit vorhandenen – wissenschaftlich abgesicherten – fachspezifischen Unterlagen entwickelte sich als sehr zielführend und erbrachte auch neue Erkenntnisse.

 Das ist nun auch übertragbar auf die Untersuchungen außerhalb des Verbreitungsgebietes des Heuerlingswesens und kann an folgendem Spezialthema nachgezeichnet werden:

 Die Informationskraft der aufgezeichneten Gespräche von unehelich geborenen Kindern und ledigen Müttern kann sich ohne Zweifel mit den historischen Fakten messen, die die Geschichtswissenschaftler historischen Dokumenten entnehmen können. Sicherlich  können  Kirchenbucheintragungen und sonstige Auflistungen genaue Angaben ergeben etwa über die jeweiligen Zahlen der unehelichen Geburten in den untersuchten Regionen.

Was aber eine uneheliche Geburt für die jeweilig betroffene Magd im grauen Alltag ausmachte, dass die Bauernmagd in ihrer Situation als ledige Mutter auch bei schweren Arbeiten keine Schonung erfuhr und dass sie mit einem Strohkranz auf dem Kopf am Sonntag vor der Kirchentür jedem Kirchenbesucher ihren „Fehltritt“ deutlich zeigen musste, das wird erst durch das persönliche Zeitzeugnis eines Interviews in aller Breite deutlich. Hierbei kommt auch die volle Tragweite ans Tageslicht, dass sie dabei ebenfalls hinnehmen musste, dass ihr Kind bei fremden Leuten aufwuchs und sie damit zumeist ihr ganzes Einkommen dort hinzugeben hatte, ohne die geringste Gewähr auf gute Lebensbedingungen für ihren Nachwuchs. Damit waren nicht selten die Chancen dieser außerehelichen Kinder auf ihrem weiteren Lebensweg vergleichsweise stark eingeengt.

Die Aussagekraft der Interviews von ledigen Müttern und unehelich geborenen Kindern übersteigt deutlich die historischen Fakten, die die Historiker schriftlichen Quellen entnehmen können. Zwar können amtliche Statistiken und Taufverzeichnisse genaue Angaben vermitteln über die jeweiligen Zahlen der unehelichen Geburten in den untersuchten Orten und Regionen.

Dabei erfährt man allerdings  aus solchen Quellen nicht, was eine uneheliche Geburt für die Betroffenen in der Realität bedeutete, etwa dass die ledige Mutter als Bauernmagd nicht im geringsten geschont wurde, dass sie bis 20. Jahrhundert hinein mit dem Schandzeichen der Strohkranzes am Sonntag vor der Kirchentür zu stehen hatte. Heute kaum noch vorstellbar ist, dass es als unangemessen galt, wenn die Tauffeier des unehelichen Kindes genauso feierlich gestaltet wurde wie die eines ehelichen geborenen Säuglings. So wuchs dieses  Kind häufig unter sehr schlechten Bedingungen als „Ziehkind“ bei fremden Leuten auf, für das die ledige Mutter ihr schwer verdientes minimales Geld in der Regel komplett musste und damit jegliche Chance auf ein besseres Leben verpassen musste.

Das Los der unehelich geschwängerten Mägde

Das Schwägern von Mägden… auch in Bayern!

Beitrag 1

Bauernhochzeit   von Anna Wimschneider

Eine Bauernhochzeit wurde groß aufgezogen.

Wenn der Pfarrer am Sonntag in der Kirche zum erstenmal das Aufgebot vorlas mit den Worten „zum heiligen Sakrament der Ehe haben sich versprochen der ehr- und tugendsame Jüngling Matthias  Hinterbichler aus Hennerkogl und die ehr- und tugendsame Jungfrau Katharina so und so…“, da war es ganz still in der Kirche. Die Burschen stießen sich heimlich mit den Ellbogen an beim „ehr- und tugendsamen Jüngling“ -, und die sitzengelassene Magd ging an diesen drei Sonntagen des Aufgebots lieber anderswohin in die Kirche.

Da gab es ein Sprichwort: „Wenn geheiratet wird, dann kommt das Unglück im Stall“, damit war gemeint, dass die Sitzengelassene dem Paar Unglück wünschte, und es kann schon etwas dran sein.

Da war eine Magd, die hatte ein Kind von dem Hoferben, der dann eine andere geheiratet hat. Für das Kind zahlte er nur ein paar Mark im Monat und ließ sie in Not. Da hörte das Unglück überhaupt nicht mehr auf: Bullen brachen sich die Beine, mussten Not geschlachtet werden(…).

aus: Anna Wimschneider, Ich bin halt vom alten Schlag – Geschichten vom bäuerlichen Leben einst und jetzt, München 1991. Seite 74/75

 

Beitrag 2

Es war das Jahr 1947, und ich war dreiundzwanzig Jahre alt. In diesem Jahr wurde ich schwanger. Es war mein erster Mann überhaupt, um so fürchterlicher war das. Ich bekam ein Kind, wo ich doch selber noch nicht einmal genug zum Anziehen hatte. Ich hatte Angst, wie es die Leute aufnehmen werden, wenn sie es einmal wußten. Ich wußte, es war nicht mehr so schlimm wie vor dem Krieg, wo solche Mädchen   nur Schlampen und Huren waren. Von den Vätern geprü­gelt, von den Müttern verstoßen. Für die Schande, die diese Töchter und Mägde ihren Familien zugefügt hatten, mußten sie noch mehr arbeiten und noch schwerere Arbeit verrichten – zur Strafe. Geschenkt wurde einem nichts. Von den eigenen Bauersleuten hatte ich nichts zu befürchten , es gab aber noch andere, die einen anschauten und dachten: Na, kriegst ein Kind? Du hast das nötig! An eine Abtreibung dachte ich nie. Ich wußte auch nicht, daß es so etwas gab, und ich bin mir sicher, ich hätte das gar nicht bezahlen können . Von einer Pille, daß man kein Kind bekam, hatte ich damals noch nichts gehört. Ich wußte, nun mußte etwas geschehen. Mit dem Lohn von fünfund­dreißig Schilling konnte ich das Kind niemals in Pflege geben. Das Geld, das ich gespart hatte, würde ja im­mer weniger werden.

Ich mußte halt mehr verdienen und noch mehr ar­beiten und sparen. Ein Mädchen aus dem Nachbardorf war Magd im Hausruckviertel , und sie heiratete in nächster Zeit. Dort brauchten sie eine neue Magd, und Dienstboten waren zu dieser Zeit überall zuwenig. Ich kam also zu diesen Bauern. Natürlich habe ich ihnen gesagt, daß ich ein Kind erwarte. Die Bäuerin sagte: ,,Das geht vorbei, und dann habe ich eine Magd.“ Ich bekam sechzig Schilling im Monat. Ich wußte auch, daß es keine Schonung gab. Sie hatten dreißig Stück Vieh, dreizehn davon waren Kühe. Dort gab es schon eine Melkmaschine , die mußte ich erst bedienen lernen. Ich kannte ja die Bauernarbeit, bis auf einige Arbeiten war alles gleich. Ich war froh, daß alles so gut vor sich ging, und daß ich mich so gut ein­ gewöhnte. Bei diesem Bauern hatten wir einen Roß­knecht und einen Hausknecht, der die Arbeit an­schaffte. Niemand durfte in seiner Gegenwart ein Wort reden. Bei Tisch war es so: Wenn er mit dem Es­sen fertig war, mußten alle aufstehen, sogar der Bauer.

 

Weber, Therese: Mägde. Lebenserinnerungen an die Dienstbotenzeit beim Bauern, Wien 199, Chur 2004. Seite 48 – 49

 

Beitrag 3

 

          Dienstmagd berichtet über Großmutter und Mutter:

Katharina Mitterbacher (Jahrgang 1920) erzählt über ihre eigene Dienstbotenzeit. Schon mit zwölf Jahren – nach nur sechs Jahren Schulbesuch – musste sie als Tagelöhnerin bei einem Bauern arbeiten. Besonders beeindruckend sind ihre Berichte über die Oma:

Meine Großmutter väterlicherseits wurde 1876 geboren. Sie entstammte einer kindereichen Bergkeuschlerfamilie, die nur eine Kuh besaß. Der Vater wurde bettlägerig. Die Kinder waren noch zu klein für die schwere Arbeit. Die größeren wurden, noch bevor sie 14 Jahre alt waren, von zuhause weggegeben und mussten zu Bauern gehen, um ihr Brot selbst zu verdienen. Der Vater war krank. Die Kuh mußte verkauft werden, weil der Weidezaun nicht erneuert werden konnte und die Futterbeschaffung unmöglich war. Die angrenzenden Bauern hatten trotz ihrer Frömmigkeit kein Verständnis für die arme Familie. Die Not wurde so groß, dass es für die Kinder nur mehr einmal am Tag eine Milchsuppe zu essen gab. (…) Großmutter kam mit zehn Jahren von zuhause weg und musste zu einem Bergbauern, wo sie wenigstens etwas mehr zu essen hatte. An Bekleidung besaß sie nur das, was sie am Leibe trug. (…) Mehr als 40 Jahre diente Großmutter als Bauernmagd, meist war sie als Sennerin tätig. (…) Es gab kaum eine Möglichkeit, zu heiraten, und so gab es bei den ledigen Mägden ledige Kinder. Auch meine Großmutter blieb vom Schicksal nicht verschont. Sie hatte eben dann einmal auch ein Wickelkind, das sie am Tage nur selten betreuen und trocken legen konnte, weil die sonst sehr frommen Bauern ihr nicht erlaubten, ihre Arbeit zu unterbrechen. Sie war auf den ganzen Tag nicht zu Hause, weil die Wiesen und Felder ein bis drei Gehstunden vom Hof entfernt waren. Das Kleinkind wurde von der Bäuerin  „versorgt“. Das kleine, arme Wesen war am ganzen Körper wund. Erst am späten Abend, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war, konnte sich die Großmutter um ihr Kind kümmern. Das Kind weinte auf halbe Nächte vor Schmerzen, die Großmutter vor Verzweiflung. Sie musste bei Tagesanbruch aufstehen.

Sie bekam keinen Lohn und mußte für Kost und Quartier arbeiten, weil sie eben ein kleines Kind hatte. Das Kleinkind ist gestorben, es war ein Mädchen. Ein zweites Kind starb auch auf ähnliche Weise. Meine Mutter (geb. 1892) war das sechste ledige Kind einer Bauernmagd. Sie kam mit fünf Jahren zu Pflegeeltern, die eine Keusche und eine Ziege hatten. Ihre Kindheit war sicher nicht schön. Weil sie in diesem Alter noch bettnäßte, mußte sie zur Strafe öfters im Ziegenstall schlafen. Dort fürchtete sie sich sehr und vergoß bittere Tränen, bis sie vor Müdigkeit einschlief.

in: Therese Weber (Hg.) Mägde – Lebenserinnerungen an die Dienstbotenzeit beim Bauern. Wien 1991. Seite 55 – 57

 

Beitrag 4

Heiratschancen für Mägde

Für die meisten Mägde gab es auf weite Sicht keine Chance zur Heirat. Sexualität spielte in ihrem Leben dennoch eine Rolle. Viele Mägde gingen in Dienst, ohne von den Eltern aufgeklärt worden zu sein. Nicht selten übernahmen ältere Mägde diese Aufgabe, und es kam vor, wie eine Autorin berichtet, daß junge Mägde unfreiwillig Zeugen des Geschlechtsaktes wurden, da mehrere Mägde in einem Raum schlafen mußten.

Viele Mägde litten unter den Nachstellungen seitens der Knechte oder Bauern, denen sie zum Teil wehrlos ausgeliefert waren; wie (…) schildert, nutzten Klagen darüber wenig, oft löste ein Wechsel des Dienstplatzes das Dilemma. Mehrere Mägde beschrieben, wie lange sie sich dem Drängen der Knechte entgegenstellten, da sie eine Schwangerschaft befürchteten; nur wenn bereits feststand, dass die Möglichkeit zu einer Heirat gegeben war, gestatteten sie voreheliche Beziehungen eher. Demzufolge war die Illegitimitäsrate in einigen Regionen erstaunlich hoch, wie zum Beispiel in Kärnten. Sie korreliert mit einer hohen Gesindezahl.

Therese Weber, a. o. a. O  Seite 24/25

 

Das Schwängern von Mägden

Das Schwägern von Mägden… auch in Bayern!

Bauernhochzeit   von Anna Wimschneider

Eine Bauernhochzeit wurde groß aufgezogen.

Wenn der Pfarrer am Sonntag in der Kirche zum erstenmal das Aufgebot vorlas mit den Worten „zum heiligen Sakrament der Ehe haben sich versprochen der ehr- und tugendsame Jüngling Matthias  Hinterbichler aus Hennerkogl und die ehr- und tugendsame Jungfrau Katharina so und so…“, da war es ganz still in der Kirche. Die Burschen stießen sich heimlich mit den Ellbogen an beim „ehr- und tugendsamen Jüngling“ -, und die sitzengelassene Magd ging an diesen drei Sonntagen des Aufgebots lieber anderswohin in die Kirche.

Da gab es ein Sprichwort: „Wenn geheiratet wird, dann kommt das Unglück im Stall“, damit war gemeint, dass die Sitzengelassene dem Paar Unglück wünschte, und es kann schon etwas dran sein.

Da war eine Magd, die hatte ein Kind von dem Hoferben, der dann eine andere geheiratet hat. Für das Kind zahlte er nur ein paar Mark im Monat und ließ sie in Not. Da hörte das Unglück überhaupt nicht mehr auf: Bullen brachen sich die Beine, mussten Not geschlachtet werden(…).

aus: Anna Wimschneider, Ich bin halt vom alten Schlag – Geschichten vom bäuerlichen Leben einst und jetzt, München 1991. Seite 74/75

Brandstiftung aus Rache

Immer wieder hat es auf den Bauernhöfen gebrannt

2 Mühle

Bei einem Bauern, beim Strasser am Kaindl, durfte immer der „Dågwerka“ (Tagelöhner) in die Mühle fahren. Darüber hat sich der Knecht so gegärgert und zur Dirn (Magd) hat er gesagt: „I kimm no as Zuchthaus“, und in dieser Nacht hat es beim Strasser am Kaindl gebrannt. Die Dirn hat das ausgesagt und der Knecht hat seine Tat auch eingestanden. Er hat sechs Jahre Zuchthaus gekriegt, das war 1938. Die Leute haben gesagt, boshaft: „Der hat nicht in den Krieg hinaus müssen und der Bauer hat eine neue Hofstatt bekommen.“

3 Mühle

aus: Meisl Helmut: Geschichte(n) von den Mühlen der Alztalgemeinde Garching -Teil I, in: Oettinger Land Band 26, Altötting 2006, Seite 216 f.

zu Oberbayern

In dieser Region wurden insbesondere Video – Interviews mit älteren Zeitzeugen(innen) geführt. Diese Personen werden nachfolgend vorgestellt.

Die Interviews müssen noch so bearbeitet werden, dass übersichtliche Unterthemen entstehen.