Das Los der unehelich geschwängerten Mägde

Das Schwägern von Mägden… auch in Bayern!

Beitrag 1

Bauernhochzeit   von Anna Wimschneider

Eine Bauernhochzeit wurde groß aufgezogen.

Wenn der Pfarrer am Sonntag in der Kirche zum erstenmal das Aufgebot vorlas mit den Worten „zum heiligen Sakrament der Ehe haben sich versprochen der ehr- und tugendsame Jüngling Matthias  Hinterbichler aus Hennerkogl und die ehr- und tugendsame Jungfrau Katharina so und so…“, da war es ganz still in der Kirche. Die Burschen stießen sich heimlich mit den Ellbogen an beim „ehr- und tugendsamen Jüngling“ -, und die sitzengelassene Magd ging an diesen drei Sonntagen des Aufgebots lieber anderswohin in die Kirche.

Da gab es ein Sprichwort: „Wenn geheiratet wird, dann kommt das Unglück im Stall“, damit war gemeint, dass die Sitzengelassene dem Paar Unglück wünschte, und es kann schon etwas dran sein.

Da war eine Magd, die hatte ein Kind von dem Hoferben, der dann eine andere geheiratet hat. Für das Kind zahlte er nur ein paar Mark im Monat und ließ sie in Not. Da hörte das Unglück überhaupt nicht mehr auf: Bullen brachen sich die Beine, mussten Not geschlachtet werden(…).

aus: Anna Wimschneider, Ich bin halt vom alten Schlag – Geschichten vom bäuerlichen Leben einst und jetzt, München 1991. Seite 74/75

 

Beitrag 2

Es war das Jahr 1947, und ich war dreiundzwanzig Jahre alt. In diesem Jahr wurde ich schwanger. Es war mein erster Mann überhaupt, um so fürchterlicher war das. Ich bekam ein Kind, wo ich doch selber noch nicht einmal genug zum Anziehen hatte. Ich hatte Angst, wie es die Leute aufnehmen werden, wenn sie es einmal wußten. Ich wußte, es war nicht mehr so schlimm wie vor dem Krieg, wo solche Mädchen   nur Schlampen und Huren waren. Von den Vätern geprü­gelt, von den Müttern verstoßen. Für die Schande, die diese Töchter und Mägde ihren Familien zugefügt hatten, mußten sie noch mehr arbeiten und noch schwerere Arbeit verrichten – zur Strafe. Geschenkt wurde einem nichts. Von den eigenen Bauersleuten hatte ich nichts zu befürchten , es gab aber noch andere, die einen anschauten und dachten: Na, kriegst ein Kind? Du hast das nötig! An eine Abtreibung dachte ich nie. Ich wußte auch nicht, daß es so etwas gab, und ich bin mir sicher, ich hätte das gar nicht bezahlen können . Von einer Pille, daß man kein Kind bekam, hatte ich damals noch nichts gehört. Ich wußte, nun mußte etwas geschehen. Mit dem Lohn von fünfund­dreißig Schilling konnte ich das Kind niemals in Pflege geben. Das Geld, das ich gespart hatte, würde ja im­mer weniger werden.

Ich mußte halt mehr verdienen und noch mehr ar­beiten und sparen. Ein Mädchen aus dem Nachbardorf war Magd im Hausruckviertel , und sie heiratete in nächster Zeit. Dort brauchten sie eine neue Magd, und Dienstboten waren zu dieser Zeit überall zuwenig. Ich kam also zu diesen Bauern. Natürlich habe ich ihnen gesagt, daß ich ein Kind erwarte. Die Bäuerin sagte: ,,Das geht vorbei, und dann habe ich eine Magd.” Ich bekam sechzig Schilling im Monat. Ich wußte auch, daß es keine Schonung gab. Sie hatten dreißig Stück Vieh, dreizehn davon waren Kühe. Dort gab es schon eine Melkmaschine , die mußte ich erst bedienen lernen. Ich kannte ja die Bauernarbeit, bis auf einige Arbeiten war alles gleich. Ich war froh, daß alles so gut vor sich ging, und daß ich mich so gut ein­ gewöhnte. Bei diesem Bauern hatten wir einen Roß­knecht und einen Hausknecht, der die Arbeit an­schaffte. Niemand durfte in seiner Gegenwart ein Wort reden. Bei Tisch war es so: Wenn er mit dem Es­sen fertig war, mußten alle aufstehen, sogar der Bauer.

 

Weber, Therese: Mägde. Lebenserinnerungen an die Dienstbotenzeit beim Bauern, Wien 199, Chur 2004. Seite 48 – 49

 

Beitrag 3

 

          Dienstmagd berichtet über Großmutter und Mutter:

Katharina Mitterbacher (Jahrgang 1920) erzählt über ihre eigene Dienstbotenzeit. Schon mit zwölf Jahren – nach nur sechs Jahren Schulbesuch – musste sie als Tagelöhnerin bei einem Bauern arbeiten. Besonders beeindruckend sind ihre Berichte über die Oma:

Meine Großmutter väterlicherseits wurde 1876 geboren. Sie entstammte einer kindereichen Bergkeuschlerfamilie, die nur eine Kuh besaß. Der Vater wurde bettlägerig. Die Kinder waren noch zu klein für die schwere Arbeit. Die größeren wurden, noch bevor sie 14 Jahre alt waren, von zuhause weggegeben und mussten zu Bauern gehen, um ihr Brot selbst zu verdienen. Der Vater war krank. Die Kuh mußte verkauft werden, weil der Weidezaun nicht erneuert werden konnte und die Futterbeschaffung unmöglich war. Die angrenzenden Bauern hatten trotz ihrer Frömmigkeit kein Verständnis für die arme Familie. Die Not wurde so groß, dass es für die Kinder nur mehr einmal am Tag eine Milchsuppe zu essen gab. (…) Großmutter kam mit zehn Jahren von zuhause weg und musste zu einem Bergbauern, wo sie wenigstens etwas mehr zu essen hatte. An Bekleidung besaß sie nur das, was sie am Leibe trug. (…) Mehr als 40 Jahre diente Großmutter als Bauernmagd, meist war sie als Sennerin tätig. (…) Es gab kaum eine Möglichkeit, zu heiraten, und so gab es bei den ledigen Mägden ledige Kinder. Auch meine Großmutter blieb vom Schicksal nicht verschont. Sie hatte eben dann einmal auch ein Wickelkind, das sie am Tage nur selten betreuen und trocken legen konnte, weil die sonst sehr frommen Bauern ihr nicht erlaubten, ihre Arbeit zu unterbrechen. Sie war auf den ganzen Tag nicht zu Hause, weil die Wiesen und Felder ein bis drei Gehstunden vom Hof entfernt waren. Das Kleinkind wurde von der Bäuerin  „versorgt“. Das kleine, arme Wesen war am ganzen Körper wund. Erst am späten Abend, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war, konnte sich die Großmutter um ihr Kind kümmern. Das Kind weinte auf halbe Nächte vor Schmerzen, die Großmutter vor Verzweiflung. Sie musste bei Tagesanbruch aufstehen.

Sie bekam keinen Lohn und mußte für Kost und Quartier arbeiten, weil sie eben ein kleines Kind hatte. Das Kleinkind ist gestorben, es war ein Mädchen. Ein zweites Kind starb auch auf ähnliche Weise. Meine Mutter (geb. 1892) war das sechste ledige Kind einer Bauernmagd. Sie kam mit fünf Jahren zu Pflegeeltern, die eine Keusche und eine Ziege hatten. Ihre Kindheit war sicher nicht schön. Weil sie in diesem Alter noch bettnäßte, mußte sie zur Strafe öfters im Ziegenstall schlafen. Dort fürchtete sie sich sehr und vergoß bittere Tränen, bis sie vor Müdigkeit einschlief.

in: Therese Weber (Hg.) Mägde – Lebenserinnerungen an die Dienstbotenzeit beim Bauern. Wien 1991. Seite 55 – 57

 

Beitrag 4

Heiratschancen für Mägde

Für die meisten Mägde gab es auf weite Sicht keine Chance zur Heirat. Sexualität spielte in ihrem Leben dennoch eine Rolle. Viele Mägde gingen in Dienst, ohne von den Eltern aufgeklärt worden zu sein. Nicht selten übernahmen ältere Mägde diese Aufgabe, und es kam vor, wie eine Autorin berichtet, daß junge Mägde unfreiwillig Zeugen des Geschlechtsaktes wurden, da mehrere Mägde in einem Raum schlafen mußten.

Viele Mägde litten unter den Nachstellungen seitens der Knechte oder Bauern, denen sie zum Teil wehrlos ausgeliefert waren; wie (…) schildert, nutzten Klagen darüber wenig, oft löste ein Wechsel des Dienstplatzes das Dilemma. Mehrere Mägde beschrieben, wie lange sie sich dem Drängen der Knechte entgegenstellten, da sie eine Schwangerschaft befürchteten; nur wenn bereits feststand, dass die Möglichkeit zu einer Heirat gegeben war, gestatteten sie voreheliche Beziehungen eher. Demzufolge war die Illegitimitäsrate in einigen Regionen erstaunlich hoch, wie zum Beispiel in Kärnten. Sie korreliert mit einer hohen Gesindezahl.

Therese Weber, a. o. a. O  Seite 24/25