Leben und Sterben in einer Ehe

 

Jürgen Schlumbohm: Lebensläufe, Familien, Höfe: Die Bauern und Heuerleute des Osnabrückischen Kirchspiels Belm in proto-industrieller Zeit, 1650-1860, Göttingen 1994; 2. Auflage 1997

Leben und Sterben in einer Ehe

Leben und Sterben in einer Ehe

 

Eine sicherlich eindrucksvolle Lebensübersicht des Otto Wilm Meyerbuck aus Belm bei Osnabrück

Leben und Sterben in einer Ehe

 

Da Otto Meyerbuck genau im Jahr 1700 geboren wurde, erleichtert diese “runde” Jahreszahl dem Betrachter, die Lebensdaten genauer ins Auge zu nehmen:

– er heiratet mit 28 Jahren eine drei Jahre ältere Frau

– mit ihr hat er zwei Kinder

– diese Ehe währt 17 Jahre und endet 1745 mit dem Tod der Frau

– drei Monate später ehelicht er die rund 19 Jahre jüngere zweite Frau

– er ist nun 45 Jahre alt

– mit dieser Frau hat er drei Kinder

– nach zwölf Jahren stirbt auch die zweite Ehefrau 1757

– schon einen Monat später heiratet er Ehefrau Nummer drei

– sie ist zehn Jahre jünger als er, aus dieser Ehe stammen keine Kinder

– elf Jahre danach stirbt 1766 auch seine dritte Frau

– zwei Monate später heiratet er die fast 40 Jahre jüngere vierte Frau im Alter von 66 Jahren

– vier Jahre danach stirbt er selbst am 24. Januar 1770

– Otto Wilm Meyerbuck wird 70 Jahre alt, damals ein stolzes Alter

 

zusammengestellt nach:

Schlumbohm, Jürgen: Lebensläufe, Familien, Höfe – Die Bau­ern und Heuerleute des Osnabrückischen Kirchspiels Belm in proto-industrieller Zeit, 1650 – 1860 (Veröffentlichun­gen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 110), Göttingen 1997 (2., durchgesehene Auflage), Seite 174

Warum nicht in die Stadt?

Dazu findet sich eine mögliche Antwort auf einer Schautafel im Kreismuseum Bersenbrück:

Durch den Wandel zum Industriestaat und das damit verbundene Riesenwachstum der Städte entstand ein ungeheurer Bauboom. Benötigt wurden vor allem Wohnungen für Arbeiter. Die innerhalb kürzester Zeit errichteten Mietskasernen enthielten ungesunde Kleinstwohnungen, davon rund 10 % als Kellerwohnungen. Berlin (826.341 Einwohner 1871) wurde zum größten Mietskasernenstadt der Welt. Zwei Drittel der Bewohner aus den kleinen Wohnungen mit höchstens zwei beheizbaren Stuben. 162.000 von ihnen hausten in kleinen Wohnungen, bestehend aus Stube und Küche, durchschnittlich mit sieben Personen belegt. Geringer Lohn ohne soziale Absicherung verschärfte das soziale Klima. Vom 17. Juni bis 28. Juli 1872 streikten im Ruhrgebiet 20.000 Arbeiter für höheren Lohn und Achtstundenschicht. Aus Aktionen gegen das Wohnungselend entwickelten sich vom 26. bis 28. Juli 1872 in Berlin Straßenschlachten mit der Polizei. Spontanes Aufbegehren gegen die Notlage führte in Nürnberg und Braunschweig (1871) zu „Brotkrawallen“, zum „Butterkrawall“ (1872) in Halberstadt und zum „Bierkrawall“ (1872/1873) in Würzburg und Frankfurt am Main.

Die Erfolge der Arbeitnehmerbewegung beunruhigte die Reichsregierung zunehmend. Der Stimmenanteil der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands betrug bei den Reichstagswahlen 1877 bereits 9,2%. Gegen die „rote Gefahr“ trat 1818 das „Sozialistengesetz“ (“Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“) in Kraft. Durch dieses Gesetz wurden die Partei – und Gewerkschaftsorganisationen sowie deren Zeitungen und Druckschriften verboten, die polizeilichen Vollmachten wesentlich erweitert. Unmittelbar danach brachte Bismarck, um die Arbeiterschaft auf seine Seite zu ziehen, die Sozialgesetzgebung auf den Weg. Das wurde ihm jedoch als „kollektive Massenbestechung“ ausgelegt.

1890 war mit über 1000 Streiks das Jahr mit den größten Streikaktivitäten in Deutschland. Vom 4. Mai bis 6. Juni streiken im Ruhrgebiet 150.000 Bergarbeiter. Nach Beschwichtigungsversuchen der preußischen Regierung wurde Militär eingesetzt. Der starke politische Druck führte dazu, dass der Reichstag eine Verlängerung der „Sozialistengesetze“ am 25. Januar 1890 mit 169 gegen 98 Stimmen ablehnte.

Der Moloch Staat zerstörte die Sehnsucht nach bürgerlicher Harmonie. Die Stadt wurde zum Kriegsschauplatz, in der die Gegensätze zwischen Bürgertum und Proletariat mit Gewalt aufeinanderprallten. Die Großstadt wurde zum Feind bürgerlicher Großstädter.

Verfasser: unbekannt

 

Ackerbürger lebten besser

Ackerbürger

Diese Übersicht beschreibt die Ackerbürger des Kirchdorfes Emsbüren im Jahr 1948, diese wurde 2012 von Heinrich (Pöttker) Leveling erstellt.

Ackerbürger Emsbüren

Die Not der Heuerleute um 1850 (Pastor Funke)

Schon im Vorwort zu seinem Buch:

Über die gegenwärtige Lage der Heuerleute im Fürstenthume Osnabrück mit besonderer Beziehung auf die Ursachen ihres Verfalls und mit Hinblick auf die Mittel zu ihrer Erhebung.

von Georg Ludwig Wilhelm Funke, Pastor zu Menslage

1871

beschreibt er eindringlich und ungeschminkt die Notlage der Heuerleute, die über die Hälfte “seiner Schäfchen” ausmachen.

 

Wahrlich, wenn irgend je, so werden wir in gegenwärtiger Zeit auf das ernstlichste gemahnt, die noch vorhanden Heilkräfte zum Kampfe gegen das immer weiter um sich greifende Übel der Verarmung der unteren Volksklassen anzuregen und zu vereinen! Geschieht dies nicht, so wird diese Verarmung massenhaft in solcher Weise zunehmen, dass eine Heilung der Krankheit kaum noch möglich ist, wie solches auf das Schrecken erregendste gerade jetzt Beispiele in anderen Ländern zeigen. Wenn wir nun die Klasse der Heuerleute unzweifelhaft als ein krankes Glied im Organismus des Staates anzusehen haben, und ebendarum eine Heilung durchaus notwendig ist, so liegt es jedoch gerade im Wesen der Heilung, dass diese nicht etwa von den kranken, sondern von den noch gesunden Teilen ausgeht, durch deren Lebenskräfte die Krankheit immer mehr zurückgedrängt werden muss, damit die leidenden Glieder zur Gesundheit gelangen und sodann als wahrhaft lebendig dem Organismus gleichsam von neuem wieder einverleibt werden können. Wir dürfen darum bei der überhand nehmenden Verarmung der Heuerleute, so lange wir noch Lebenskräfte in uns verspüren, nicht ruhig bleiben; sondern wir müssen das Übel in allen Ursachen angreifen und zu überwältigen suchen. Eine bloße Unterstützung der Heuerleute, ohne dass die Ursachen ihrer Not beseitigt wären, wird nur augenblicklich das Übel lindern, auf die Dauer aber nichts fruchten, indem die Not stets wiederkehrt, die Mittel zur Unterstützung aber endlich erschöpft werden. Trotz vieler betrübenden Erscheinungen ist es zwar ein hocherfreuliches Zeichen unserer Zeit, dass der in der Liebe tätige Glauben immer lebendiger wird, tiefer im Leben Wurzel schlägt, keimt, blüht und Früchte trägt, von welchen viele den notleidenden Volksklassen zu gute kommen; allein auch die größte christliche Mildtätigkeit wird nicht helfen können, ja es wird sich trotz derselben die Not der Heuerleute noch vermehren, wenn nicht die auch nach den Unterstützungen fortwirkenden Ursachen entfernt werden. Wie schwer die Entfernung solcher Ursachen zum Teil ist, weiß ich sehr wohl; das ganze Staatswesen ist meistens dabei beteiligt; inzwischen habe ich überall offen meine Meinung ausgesprochen, mögen immerhin manche Maßregeln, welche ich in Vorschlag gebracht habe, nicht sofort zur Anwendung kommen können. Jedenfalls glaube ich auf das deutlichste dargelegt zu haben, dass sich die Heuerleute in einem Notstande befinden, in welchem sie bei längerer Fortdauer nicht bloß ihren äußerlichen Lebensverhältnissen, sondern zugleich ihrem inneren sittlichen Wesen nach zu Grunde gehen müssen. Das hieraus notwendig eine Zerrüttung des gesellschaftlichen, politischen und religiösen Lebens erfolgen wird, bedarf, wie ich glaube, wohl kaum eines Beweises. Das Übel ist da, die Heilung ist notwendig, und mag man auch über die Art und Weise, wie diese Heilung bewirkt werden soll, im Einzelnen verschiedener Ansicht sein, dies wenigstens steht fest, dass sie ohne Erwerbung des nötigen Terrains für diese Arbeitskräfte nicht möglich ist. Die innere Kolonisation im umfassendsten Sinne des Wortes, ist es welche uns in jeder Beziehung gegenwärtig Not tut; da aber der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht, so muss mit ihr die innere Mission auf das innigste verbunden sein.

Funke, Georg Ludwig Wilhelm: Über die gegenwärtige Lage der Heuerleute im Fürstenthume Osnabrück, mit besonderer Beziehung auf die Ursachen ihres Verfalls und mit Hinblick auf die Mittel zu ihrer Erhebung, Bielefeld 1847

Die Familie Ostermann

Es ist besonders erfreulich, dass mit der Arbeit von Frank Ostermann erstmals auch eine kompakte Familiengeschichte aus fünf Generationen Heuerlingsdasein hier vorgestellt werden kann.

Von besonderem Wert ist auch deren Einbettung in die jeweiligen historischen Rahmenbedingungen der Region.

Frank Ostermann stammt von einem Bauernhof in Haselünne-Stadtmark und ist  42 Jahre alt.

Frank Ostermann

 

Er unterrichtet als Studienrat für Wirtschaftswissenschaften, Politik und Geschichte an den BBS Meppen.

Heinrich Ostermann war der Großvater,

o2der als junger Mann noch bei Bauer Übermühlen in Vormeppen in der Heuer war und später Bauer in der Stadtmark wurde.

 

 

 

 

Ich bin der Spross emsländischer Heuerleute!

Frank Ostermann gibt eine Einführung in seine Familiengeschichte:

Ich wollte schon immer wissen, wer meine Vorfahren waren.

Als Kind löcherte ich meine Großeltern, doch sie konnten mir lediglich etwas über ihre eigenen Eltern und Großeltern sagen. Im Jahre 1995 brachte der Berßener Genealoge und Pastor i. R. Bernhard Loxen dann deutlich mehr Licht in das Dunkel der Vergangenheit. Er überreichte meiner Mutter den von ihm erforschten Stammbaum des Ostermann-Zweiges seiner Familie – und damit auch meiner Vorfahren – in einem roten Einband.[1] Darin standen die Namen, Geburts-, Heirats- und Sterbedaten meiner Ahnen väterlicherseits, mit Ortsangaben, mit Informationen zu den Kindern, Geschwistern und Taufpaten, immerhin zurückreichend bis in das Jahr 1737. Außerdem enthielt der Band Angaben zu ihrer beruflichen Tätigkeit, vielmehr den Stand, in den sie hineingeboren worden waren.

Hierzu las ich bei all meinen Vorfahren  in der Ostermann-Linie: „Heuerleute beim Bauern X in Y“. Dieser Bauer X und sein Standort Y wurde von Generation zu Generation gewechselt, von Lohe ging es auf die Kreyenborg, dann zu einem anderen Bauern in Lehrte und schließlich nach Vormeppen. Sowohl bei meiner Mutter als auch bei mir hatte der Pastor Loxen damit das Interesse an der Genealogie geweckt. Wir wollten mehr wissen. Wer waren die Vorfahren der Frauen, die in die Familie Ostermann eingeheiratet hatten, wer die meiner Mutter? Was taten sie zu Lebzeiten? Wie weit ließen sich die Linien zurückverfolgen? Und was genau hatte es mit diesem Heuerlingswesen auf sich?

Was folgte, waren einige Jahre der Ahnenforschung mit ihren klassischen Methoden: Befragung der Senioren in der Verwandtschaft, Suche nach alten Grabsteinen, Besuche bei der Familienforschungsstelle in Meppen, dort Durchforstung alter Tauf-, Heirats- und Sterbebücher der Kirchengemeinden auf Mikrofiche. Später half das Internet, an die Daten anderer Genealogen mit gemeinsamen Vorfahren zu gelangen. Schritt für Schritt wuchs mein Stammbaum, er wurde dichter und höher. Viele Äste in seiner Krone enden in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Begriff „Heuermann“ oder „Heuerleute“ begegnete uns immer öfter.  Ich zähle mittlerweile 45 Personen in meiner Ahnentafel, die ausdrücklich so bezeichnet wurden.

Bei vielen anderen lässt sich aufgrund ihrer Abstammung oder der Heuerlingstätigkeit ihrer Kinder vermuten, dass auch sie Heuerleute waren. Mit Ausnahme der Familie meiner Großmutter väterlicherseits – hier haben wir es überwiegend mit Kleinbauern, Viertel-, Halb- und Vollbeerbten aus Fullen zu tun – verdingte sich die große Mehrzahl meiner Ahnen als Heuerlinge. Erstaunlich war dabei für mich zunächst auch die Begrenztheit des Herkunftsgebietes all dieser Menschen: Mehr als 95 % stammten aus dem mittleren Emsland, aus den Bauernschaften und Dörfern um Haselünne und Meppen. Auf den zweiten Blick ist sicherlich sowohl die Homogenität des Berufsstandes als auch die der geografischen Herkunft meiner Ahnen erklärbar. Eine soziale Mobilität, man könnte auch sagen Aufstiegsmöglichkeit, der Heuerleute in der agrarischen Klassengesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts war quasi nicht existent.

Man kam zur Welt als Heuerlingskind, man heiratete – wenn überhaupt –  ein anderes Heuerlingskind, man suchte eine Heuerstelle oder übernahm die der Eltern oder Schwiegereltern, arbeitete für den Rest seines Lebens als Heuerling – und starb als Heuerling.

Bauern heirateten keine Heuerleute, sie verkehrten i.d.R. nicht einmal mit ihnen.[2] Commercium et conubium gingen wie in jeder Klassengesellschaft auch hier Hand in Hand. Beruflicher Aufstieg durch Bildung war Heuerleuten ebenfalls verwehrt, da der Besuch höherer Schulen schon allein an der Finanzierung scheiterte. So blieben die Heuerleute unter sich. Die räumliche Mobilität war in jener Zeit ebenfalls sehr gering, besonders in der agrarischen Unterschicht und noch viel mehr in der unterbäuerlichen Schicht des Emslandes mit seinen Mooren und seiner miserablen Verkehrsinfrastruktur. Die meisten Heuerleute hatten kein eigenes Pferd und würden auch nur dann eines von ihrem Bauern leihen, wenn der wirtschaftliche Nutzen die abzuleistende Mehrarbeit aufwog.[3] Wie weit kam man unter diesen Bedingungen schon als heiratsfähiger Heuerlingsspross, wen lernte man kennen? Außer den anderen Jugendlichen des eigenen Dorfes bekam man höchstens einmal einige des Nachbardorfes, vielleicht auf dem örtlichen Schützenfest, zu Gesicht. Oft genug mussten Viehhändler als Heiratsvermittler fungieren, da diese auch Heuerlingskinder in benachbarten Ortschaften kannten, die noch unversorgt waren.

Aufgrund dieser Umstände bilden meine Ahnen also nun eine relativ homogene „Masse“ und ich kann wohl, ohne allzu sehr zu verallgemeinern, feststellen: Ich bin der Spross emsländischer Heuerleute! Dies ist nach meiner Meinung gewiss nichts, wofür man sich schämen müsste. Eine solche Erkenntnis hat vielmehr etwas Identitätsstiftendes. Wer wissen will, wer er ist, muss herausfinden, woher er kommt. Und hat man Vorfahren wie ich, deren Leben so hart und entbehrungsreich war, wie das bei Heuerleuten der Fall ist, wird man etwas demütiger. Man hört auf, die Bequemlichkeiten und Vorzüge unseres modernen Lebens für selbstverständlich zu halten. Zugleich empfindet man bei der Beschäftigung mit diesem Thema aber auch immer wieder eine Wut auf die gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit und die Institutionen und Interessengruppen, die sie stützten.

Diese Verhältnisse genauer zu erkunden war mein Antrieb, diese Arbeit zu schreiben. Ich wollte  herausfinden, was es für meine Ahnen wohl bedeutet haben musste, im achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert bei einem emsländischen Bauern in die Heuer zu gehen. Was das für ein Leben war. In welchem gesellschaftlichen Umfeld und welchem politischen System die Heuerleute lebten, welche Rolle sie in diesem System einnahmen und welche Einstellungen und Überzeugungen sie dazu wohl gehabt haben dürften. Sie haben mir keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen, denen ich diese Informationen direkt entnehmen könnte. Ganz allgemein ist sehr wenig Schriftliches von Heuerleuten erhalten geblieben. Ihre Zeitgenossen schrieben ebenso wenig über sie nieder.

Viel zu lange interessierte sich nicht einmal die Geschichtswissenschaft unserer Zeit für sie.

Immerhin hat Bernd Kessens das Thema literarisch bearbeitet und historische Romane verfasst, die einen tiefen Einblick in die Lebenswelten der Heuerleute erlauben. Die Forschung von Bernd Robben und das von ihm ins Leben gerufene Projekt versucht nun auch die Lücke in der Geschichtsschreibung zu schließen. Obgleich ich mich nach wie vor in erster Linie für die Geschichte meiner eigenen Familie interessiere, hoffe ich, einen kleinen Beitrag zu diesem Projekt über meinen genealogischen Ansatz leisten zu können. Über das Genealogische hinaus betreibe ich jedoch kaum Quellenforschung, sondern stütze mich auf Sekundärliteratur von Heinz Jakobs u.a.

Ich möchte historische Ereignisse und Entwicklungen schildern, die zur Zeit der jeweiligen Ahnengeneration im mittleren Emsland abliefen und die ein Schlaglicht auf die Verhältnisse werfen, in denen die Heuerleute lebten. Die mir aus dem Leben meiner Ahnen bekannten Daten werde ich darin einflechten. Ich hoffe, dass auf diese Weise am Ende eine relativ dichte Familiengeschichte entsteht. Zu diesem Zweck werde ich mich bezüglich der ersten und letzten von mir beschriebenen Generation vom Leitthema „Heuerlingswesen“ etwas entfernen müssen, denn bei diesen handelte es sich um Ackerbürger bzw. Kleinbauern.

[1] s. Loxen

[2] vgl. Lensing/Robben, S. 149 ff.

[3] Vgl. Lensing/Robben, S. 208

 

                                       Die Geschichte der Familie Ostermann –

                                       200 Jahre Heuerlingsdasein im Emsland

                                                  von Frank Ostermann

Inhalt

Einleitung

  1. Hermann Bernhard Ostermann und Anna Maria geb. Berens – Ackerbürger in Haselünne, Untertanen des Fürstbischofs Clemens August
  2. 1.1 Der Jahrhundertwinter und das Hungerjahr 1740 in Haselünne

1.2 „Vagabunden- und Heidenjagden“ im Amt Meppen 1739 – 1743

1.3 Schickeria-Jagden auf Clemenswerth – Fürstbischof Clemens August auf Stippvisite in seinem Armenhaus Emsland (1744 – 1757)

1.4 Der Siebenjährige Krieg erreicht Haselünne (1757 – 1763)

 

  1. Henric Albert Ostermann und Anna Gesina geb. Wolters – Heuerleute in Lohe, Untertanen der Fürstbischöfe  von Münster

2.1 Als Heuerleute nach Lohe (1768)

2.2 Hollandgängerei – Arbeiten bis zum Umfallen

2.3 Sohn Johann stirbt mit 17 – Über den Wert eines Menschenlebens in der agrarischen Klassengesellschaft

2.4  Buchweizen, Kartoffeln und Moorkolonisierung ab 1788

 

  1. Herman Henric Ostermann und Francisca geb. Blanke – Heuerleute auf der Kreyenborg, Untertanen des Herzogs von Arenberg und Kaiser Napoleons

3.1 Zeitenwende im Emsland: Das Jahr 1803

3.2 Die Franzosenzeit im Emsland aus Sicht der Heuerleute

3.3 Als Heuerleute auf die untergehende Kreyenborg (1808)

3.4 Die Armenjäger des Herzogs (1810)

3.5 Armut und Massenauswanderung aus dem Emsland ab 1820

 

  1. Johann Gerhard Henric Ostermann und Maria Adeleidis geb. Lampen – Heuerleute in Lehrte, Untertanen im Königreich Hannover

4.1 Kartoffelfäule und Hungersnöte (1846 – 1853)

4.2 Die Judenemanzipation im Emsland (1842)

 

  1. Gerhard Heinrich Ostermann und Maria geb. Lammers – Heuerleute in Vormeppen, Untertanen des Kaisers im Deutschen Reich

5.1 Reichsgründung und Kulturkampf im Emsland (1871 – 1878)

5.2 Als Heuerleute nach Vormeppen (1893)

5.3 Erster Weltkrieg 1914 und Ende der Monarchie 1918

 

30 . Januar

 Dieser Teil wird nun zuerst eingestellt!

  1. Bernhard Heinrich Ostermann und Wilhelmine geb. Schulte – Bauern in der Stadtmark, Bürger der Bonner Republik

6.1 Krupp’scher Schießplatz in Vormeppen – und endlich eigenes Land!

6.2 Höfetausch 1955

 

200 Jahre Heuerlingsdasein – eine Bilanz

 

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Höfetausch

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Heuerleute als Schmuggler

Während der Kontinentalsperre durch Napoleon:

 Heuerleute als Schmuggler

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Diese Geschichten gehen auf Erzählungen und Forschungen von Theo Mönch – Tegeder und Dr. Andreas Eiynck zurück.

 Als in der napoleonischen Zeit durch die Kontinentalsperre sämtliche Waren aus England und seinen Kolonien vom europäischen Festland ferngehalten werden sollten, blühte der Warenschmuggel enorm auf.

 In der Dunkelheit der Nacht landeten englische Schiffe in den Flussmündungen von Ems, Weser und Elbe, wurden schnellstens entladen und die begehrten Waren wie Tabak, Kaffee und Tee gelangten als Schmuggelware durch das Land. Zur Bekämpfung dieser „Unsitte“ setzte Napoleon damals viele Zöllner ein, so genannte „Douaniers“. Als diese Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg zeigten, wurde die Todesstrafe auf Schmuggelei eingeführt.

Und so hatten die französischen Aufpasser den nachgeborenen

Sohn des Bauern Otting aus Listrup bei Emsbüren

  – also einen wahrscheinlich angehenden Heuerling  – beim Schmuggeln erwischt.

 Die französischen Häscher waren nun mit ihm unterwegs in das holländische Groningen, wo er mit der Guillotine hingerichtet werden sollte.

Gegen Abend waren sie in Nordhorn angekommen.Der Todgeweihte sprach nun in seiner Verzweiflung: Hier ist alles Geld, was soll ich noch damit anfangen. Ich muss ja doch sterben, wir wollen alles vertrinken. Der Gendarm ließ sich das gefallen und trank so fleißig, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne war. So entkam  Otting mit anderen Männern auf ein Schiff, wo man ihn in einer Tonne verbarg. Als der Gendarm in wieder zu sich gekommen war, vermisste  er natürlich seinen Häftling.  Er durchsuchte das nahe gelegene Schiff, fand aber den Vermissten nicht. So entging Eberhard Otting aus Listrup der sicheren Hinrichtung im holländischen Groningen.

 Es wird von einer Begebenheit berichtet, an der der

Heuermann Gerhard Klümper

 beteiligt gewesen ist.

Er war als Fuhrmann für den Bauern Tegeder mit einem Kollegen unterwegs gewesen, um für Papenburger Kaufleute zwei Fuhren Schmuggelgut von Emsbüren nach Schüttorf zu bringen.

Noch bei Emsbüren wurden sie von  Zollbeamten entdeckt. Sie sprangen schnell vom Wagen und versteckten sich  im angrenzenden Roggenfeld. Die französischen Söldner gaben zwar einige Schüsse ab, die aber hoch über ihre Köpfe hinweg zogen.

 Die kostbaren Fuhren wurden dann von den Franzosen im Triumph nach Papenburg zum Sammelplatz für Schmuggelwaren gebracht.

 Allerdings war  Klümper in Absprache mit seinem Auftraggeber schnellstens mit Verstärkung ebenfalls nach Papenburg aufgebrochen, um dort  Wagen und Fracht die Franzosen mit Gewalt wieder zu entreißen.

Der gefährliche Einsatz war jedoch erfolgre

Dafür  wurde das ganze Departement mit einer schweren Kontribution belegt.

Foto: Freigestellt von Wikimedia Commons