Rezension Jahrbuch OM

Bernd Robben/Helmut Lensing: „Wenn der Bauer pfeift, dann müssen die Heuerleute kommen!“ Betrachtungen und Forschungen zum Heuerlingswesen in Nordwestdeutschland. Verlag der Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte, Haselünne, 2. Auflage 2015. – Geb., 288 S.,  24,80 €,   ISBN 978-3-9817166-0-3

 

Ralf Weber: Das Heuerlingswesen im Oldenburger Münsterland im 19. Jahrhundert. Veröffentlichungen des Museums im Zeughaus, Stadt Vechta, Band 7. Schröderscher Buchverlag Diepholz 2014. – Geb., 178 S., 15,00 €,  ISBN 978-3-89728- 080-9

 

300 Jahre lang, vom Dreißigjährigen Krieg bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, bildeten die Heuerleute ein wichtiges Element der Agrargesellschaft in den Geestdörfern Nordwestdeutschlands. Zur Blütezeit des Heuerlingswesens um 1800 stellten sie in vielen Kirchspielen der Ämter Cloppenburg und Vechta mehr als die Hälfte, zeitweilig sogar fast zwei Drittel der Bevölkerung. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden nach und nach die Heuerhäuser aus unserer Kulturlandschaft: Sie wurden verkauft, umgebaut, verlassen, abgerissen – einige wenige finden sich noch heute als hübsch renovierte Schmuckstücke an den Rändern unserer Dörfer.

Da es seit nunmehr fünfzig Jahren praktisch keine Heuerleute mehr gibt, sei kurz erläutert, worum es geht: Ein Heuermann bewirtschaftete als Pächter selbständig eine kleine Landstelle mit einem Heuerhaus und selten mehr als 2 – 4 Hektar Land, musste aber die Miete und die Pacht – das unterschied ihn von einem Pächter – überwiegend in Form von körperlicher Arbeit auf dem Hof des Bauern entrichten. Daraus ergab sich eine starke Abhängigkeit vom Bauern, zumal es keine soziale Absicherung z. B. gegen eine Kündigung gab. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts konnte die Übernahme einer solchen Heuerstelle für ledige Mägde und Knechte, aber auch für abgehende Bauernkinder eine willkommene Gelegenheit sein, durch die Kombination von Erträgen aus der Landwirtschaft, aus Saisonarbeit („Hollandgänger“) und häuslichem Nebengewerbe (Leinenproduktion, Verarbeitung von Schafwolle, ländliches Handwerk) eine eigene Existenz aufzubauen und so in dieser Nische der Feudalgesellschaft eine Familie zu gründen.

Als jedoch in den 30er Jahren durch den steigenden Bevölkerungsdruck die verfügbare landwirtschaftliche Fläche nicht mehr ausreichte, der Hollandgang kaum noch lohnte und das häusliche Nebengewerbe der Konkurrenz der industriellen Textilproduktion immer mehr weichen musste,  kam es zu einer Massenarmut unter den Heuerleuten, die dem Pauperismus in anderen Teilen Deutschlands (vgl. Hauptmanns „Die Weber“ in Schlesien) vergleichbar war. Unter dem wirtschaftlichen Druck verschärfte sich die  bis dahin oft noch durch patriarchalische oder sogar verwandtschaftliche Beziehungen gemilderte Abhängigkeit der Heuerleute von den  Bauern, und Tausende verließen angesichts der  miserablen Lebensumstände ihre angestammte Heimat und wanderten aus in die Vereinigten Staaten.

Für die verbleibenden und nachkommenden Heuerleute brachte diese Auswanderung eine gewisse Entlastung; dennoch reduzierte sich in der Folgezeit die Zahl der Heuerstellen, und als sich nach dem Zweiten Weltkrieg andere Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten boten, ergriffen fast alle Heuerleute diese Chance, einem Arbeitsverhältnis zu entkommen, das zunehmend als drückend und unzeitgemäß empfunden wurde. So hatte sich am Ende der 60er Jahre eine Bevölkerungsschicht, die hundert Jahre zuvor in den Dörfern noch zahlenmäßig dominiert hatte, in kurzer Zeit völlig verflüchtigt, ohne dass dieser massive Strukturwandel nennenswerte Spannungen oder Eruptionen ausgelöst hätte!

Seit den ersten Beiträgen von Heinrich Nieberding in den „Oldenburgischen Blättern“ 1819/20 war das Heuerlingswesen immer wieder Gegenstand von publizistischen und regionalgeschichtlichen Untersuchungen. Umfassend hat sich zuletzt 1948 Hans-Jürgen  Seraphim und in seiner Nachfolge  für unsere Region noch 1958 Paul Brägelmann mit der Frage befasst, welche Perspektiven das Heuerlingswesen in der Agrarverfassung der jungen Bundesrepublik bieten könne. Mit dem endgültigen Verschwinden des Heuerlingswesens  geriet das Thema dann jedoch zusehends in Vergessenheit und wurde nur vereinzelt in sozial- und regionalgeschichtlichen Untersuchungen zur Auswanderung, zur Arbeitsmigration oder zur Bevölkerungsentwicklung aufgegriffen.

Nun liegen gleich zwei Monographien vor, die sich dem Thema auf ganz unterschiedliche Weise nähern. Die emsländischen Autoren Bernd Robben und Helmut Lensing nehmen das gesamte Verbreitungsgebiet der Heuerleute (Nordwestdeutschland ohne die Marschgebiete, wo es keine Heuerleute gab) in den Blick und richten einen besonderen Fokus auf das Emsland, das Münsterland, das Osnabrücker Nordland und das Oldenburger Münsterland. Zeitlich spannen sie einen Bogen von der Entstehung im 16. Jahrhundert bis heute. Ralf Weber konzentriert seine aus einer Magisterarbeit an der Universität Vechta erwachsene Untersuchung räumlich auf das Oldenburger Münsterland und zeitlich auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. B. Robben und H. Lensing werten souverän und kenntnisreich die umfangreiche Sekundärliteratur und viele Quellen aus den verschiedenen Teilregionen aus, Ralf Weber erarbeitet seine Darstellung aus dem intensiven Studium der Archivalien, die das Oldenburger Staatsarchiv vor allem in den Berichten der südoldenburgischen Ämter aus den 40er Jahren aufbewahrt, und setzt sie in Beziehung zur einschlägigen Literatur.

Herausgekommen ist bei B. Robben und H. Lensing eine großformatige, abwechslungsreiche und hervorragend illustrierte Darstellung, die alle Aspekte des Heuerlingswesens – die historische Entwicklung, die wirtschaftliche Situation, die Lebensverhältnisse im Alltag, die Auswanderung – abdeckt. Das Buch fesselt durch eine schlüssige inhaltliche Strukturierung, durch eine klare Sprache und motivierende Kapitelüberschriften und durch eine  Vielfalt von aussagekräftigen Quellenauszügen, alten Fotos, informativen Aufstellungen und anschaulichen Zeitzeugenberichten. Interessierte Heimatforscher kommen ebenso zu ihrem Recht wie Leser, die nur punktuell Einblick nehmen wollen.

Eine richtige thematische Entscheidung der Autoren war es sicherlich auch, die latenten Gewaltstrukturen im Verhältnis der Bauern zu Ihren Heuerleuten und dem Gesinde nicht auszusparen. Einige Zwischenüberschriften („Heuerlingswaisen wurden versteigert“, S. 153; „Lieber ein Kind stirbt als eine Kuh“, S. 163) oder die Überlegungen zum „Schweigemilieu“ um das Thema „Die Bauern und ihre Mägde“ (S.170ff.) erscheinen dem Rezensenten allerdings zu reißerisch aufgemacht, bei aller Relativierung, die die Autoren selbst vornehmen. Unter wissenschaftlichen Aspekten mag man bemängeln, dass die Darstellung räumlich und zeitlich nicht genügend differenziert sei und einzelne Erscheinungen eher eklektisch belegt würden, aber die exakten Anmerkungen und das ausführliche Literaturverzeichnis ermöglichen jederzeit auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Buch. Insgesamt bietet es ein umfassendes, anschauliches und realistisches Bild von den Lebensverhältnissen der Heuerleute in Nordwestdeutschland; es ist eine Bereicherung für die heimatgeschichtliche Literatur unserer Region.

Ralf Weber hält sich mit Wertungen zum Verhältnis zwischen Bauern und Heuerleuten zurück und entwickelt seine nüchterne Darstellung stringent und detailliert (1687 Anmerkungen auf 121 Textseiten!) aus den eingesehenen Archivmaterialien. Verlässlich analysiert und diskutiert er die Gründe für die massive Verschlechterung der Situation der Heuerleute in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts und reflektiert umsichtig die Kontroversen der Fachliteratur. Aus den Berichten der einzelnen Ämter schöpft er viele aufschlussreiche Informationen zu den Lebensverhältnissen der Heuerleute bis auf die Ebene der Kirchspiele  hinunter. Da stellen sich dann die Zustände im Amt Friesoythe, wo es kaum Heuerleute gab,  als völlig anders dar als etwa im Raum Damme/Neuenkirchen. Hier wäre es hilfreich gewesen, wenn der Autor nicht nur die Verwaltungseinheiten, sondern auch die größeren Natur- und Wirtschaftsräume in den Blick genommen hätte: Die enge historische Verbindung von Damme/Neuenkirchen zum Osnabrücker Raum, die räumliche Nähe von Dinklage, Essen und Löningen zum Artland und die ganz andere naturräumliche Ausstattung des Amtes Friesoythe mit seinen vielfältigen Beziehungen zum friesischen Wirtschaftsraum könnten auch für die unterschiedliche Entwicklung des Heuerlingswesens in diesen Teilregionen weiteren Aufschluss geben.

Die verdienstvolle Arbeit, der eine gründliche Endkorrektur gut getan hätte („die Brink“, „der Hufe“, S. 20;  „Heuerlingstöge“= plattdeutsch: „Hürmannstäöge“, S. 13; falsche Berechnungen S. 45 und S. 128 unten), schließt mit der richtigen Feststellung, dass erst die Auswanderung die Notlage der Heuerleute gelindert habe. Ein Ausblick auf die weitere demographische Entwicklung des Oldenburger Münsterlandes zeigt jedoch nach den auswanderungsbedingten Bevölkerungsverlusten um die Mitte des  Jahrhunderts wieder einen starken Anstieg der Bevölkerungszahl zum Ende des Jahrhunderts: Offensichtlich hat erst  die Intensivierung der Landwirtschaft  in der Kaiserzeit (Kultivierung der Ödflächen, Kunstdünger, Fruchtwechsel mit Futterbau, Schweinehaltung auf der Basis von Importgerste u.a.) es geschafft, die Massenarmut im Oldenburger Münsterland zu überwinden und nun einer reduzierten Zahl von besser ausgestatteten Heuerstellen und darüber hinaus einer Vielzahl von Pächtern und Neusiedlern eine knappe, aber auskömmliche Lebensgrundlage ermöglichen.

Engelbert Beckermann

Krankheiten der Hollandgänger

 

schaten-2-1024x276

Der nachfolgende Aufsatz stammt von ihm.

„… ist verpflichtet, die ankommenden Kranken

gleich nach ihrer Ankunft von hier auf einer sich hierzu eignenden Karre nach Schöppingen zu fahren.“

Kranke „Hollandgänger“ in der Bürgermeisterei Nienborg

 

 

Aktentitel, C 53 GA Heek

„Hollandgänger“ nannte man die Saisonarbei-ter, die von sozialer Not getrieben, in die Niederlande (Holland) zogen um dort als Grasmäher oder Torfstecher zu arbeiten. Bereits seit dem 17. Jahrhundert bestand ein Wohlstandsgefälle zwischen Westfalen und Holland und Westfriesland. In Holland waren die Löhne höher, so dass jedes Frühjahr Zehntausende von Westfalen in die niederländischen   Provinzen   Groningen,  Friesland und Nord- und Südholland zogen, um dort bei Bauern zu arbeiten. Sie kamen vor allem aus dem Teil Westfalens, der westlich der Linie Osnabrück, Soest, Arnsberg lag. Da sie sich vornehmlich nur von Speck ernährten – sie wurden daher von den Holländern als „spekfretters“ beschimpft – und von morgens früh bis abends spät arbeiteten und oft nur in Scheunen oder Erdhöhlen wohnten, erkrankten sie sehr häufig. Die Arbeitsbedingungen der Grasmäher und der Torfstecher waren extrem hart.

Bis zu 16 Stunden Akkordarbeit an sechs Tagen in der Woche waren die Regel, wobei die Torfstecher mitunter noch den ganzen Tag bis zu den Knien im Wasser standen. An der Nahrung wurde gespart, denn die Arbeiter wollten möglichst wenig von ihrem Lohn für Lebensmittel ausgeben. Viele „Hollandgänger“ wurden unter diesen Umständen krank, zumal in den Moorgebieten die Malaria grassierte, an der   bis zu 40 % der Wanderarbeiter erkrankten. Wer ernsthaft erkrankte, den erwartete ein wahres Martyrium. Schwerkranke wurden nämlich sofort aus den Niederlanden abgeschoben, da man nicht bereit war, für ihre Behandlung aufzukommen. Sie wurden auf Pferdefuhrwerken von der Grenze aus in Richtung Heimat transportiert, aber nur bis zur nächsten Bürgermeisterei. Dort wurde dann sofort der nächste Transport organisiert, um den unerwünschten Gast möglichst schnell loszuwerden. Selbst Sterbende wurden schnell noch der nächsten Gemeinde aufgedrängt, damit man selber nicht für die Beerdigung sorgen musste. Viele kranke „Hollandgänger“ überlebten diese un- menschliche Behandlung nicht. Die nächstgelegene Bürgermeisterei die die Kranken auf ihren Karren erreichten, beförderte sie entweder sogleich weiter oder bereitete ihnen über Nacht ein Krankenlager, um sie dann früh am nächsten Morgen mit sogenannten „Krüppelfuhren“ weiter zu transportieren.

Die große Anzahl der Kranken, die Schwierigkeiten ihrer Aufnahme in den Orten, überforderte so manchen Bürgermeister. Sie hatten all das zu organisieren, wobei auch die nicht geringen finanziellen Auswirkungen große Probleme verursachten. Die Akten im Gemeindearchiv Heek  geben einen tiefen Eindruck über die vielen Beschwerlichkeiten die vor Ort durch die kranken „Hollandgänger“ entstanden. Von diesen soll im Folgenden erzählt werden.

Am Freitag, den 15. Juni 1827, spätnachmittags, trafen Hermann Heitmeier und Steffen Schwartze, beide geboren in Lippstadt, krank auf einem Pferdefuhrwerk liegend in Nienborg ein. Der Betreiber dieser sogenannten „Krüppelfuhr“ hatte sie aus Epe kommend in Nienborg vor dem Amtssitz von Bürgermeister Louis von Plönies abgesetzt. Beide waren sogenannte „Hollandgänger“, die in dem Königreich der Niederlanden  Saisonarbeit geleistet hatten und nun auf dem Heimweg waren. Dem Bürgermeister erklärten sie, dass sie auf der Heimreise, jedoch krank und mittellos seien. Sie baten um Verpflegung und Hilfe beim Weitertransport in ihre Heimatorte.Louis von Plönies, seit April 1826 Bürgermeister, war davon nicht begeistert, kamen doch seit Juni fast täglich kranke Wanderarbeiter durch seine Bürgermeisterei und baten um Hilfe. Noch bis in den Oktober hinein sollten sie an seine Pforten klopfen, 42 insgesamt im Jahre 1827.

 

Auch aus Heek und Nieborg zogen damals Männer zwecks Arbeitssuche in die Nachbarländer. 1826, ein Jahr zuvor, hatte der Ahauser Landrat dem Bernard Bröcker aus Nienborg einen „Ausgangs-Paß“,  gültig auf ein Jahr ausgestellt, um „Arbeit zu suchen, in den benachbarten Gemeinden“ der Königlich Niederländischen Staaten. Der alte Pass des 43jährigen Korb- und Wannenmachers, war abgelaufen gewesen, so dass eine Ersatzlegitimation beantragt werden musste. Plönies hatte ihm dazu ein Attest ausgestellt, wodurch „er als unverdächtig legitimiert“ galt. Damit konnte Bröcker zwar reisen, musste sich aber bei   der „Polizei-Behörde nicht blos des Grenz-Ortes, sondern ohne Unterschied zwischen Stadt und plattem Lande, eines jeden Orts“, an welchem er länger als 24 Stunden verweilte, melden.

Von Plönies blieb kaum eine Wahl. Kranken und mittellosen Menschen wollte und musste er beistehen, auch wenn dabei nicht unerhebliche Kosten anfielen. Jedes Jahr kamen diese bemitleidenswerten Menschen in seine Bürgermeisterei und baten um Hilfe. Er kannte das, es war seit Jahren immer das gleiche. Trafen sie morgens oder bis zum frühen Nachmittag ein, wurden sie verpflegt und dann sogleich weiterbefördert. Wenn sie am späten Nachmittag ankamen, blieben sie über Nacht und man fuhr sie erst am kommenden Tag auf Karren zur nächsten Gemeinde.

Bürgermeister von Plönies ließ sich die Pässe der beiden Lippstädter zeigen, notierte sich den Heimatort zu dem sie sich hinbegeben wollten und glaubte deren Versicherung, dass sie krank und mittellos seien, ohne jedoch ihre wirkliche Bedürftigkeit genauer zu überprüfen. Diese Nachlässigkeit sollte ihm später eine Rüge der Königlichen Regierung einbringen.

Danach  beauftragte er den Polizeidiener Her- mann Grone, beide zu dem Nienborger „Kran- kenwärter“ Gerhard Hen- rich Loesbrock zu bringen. Dort wurden sie verpflegt, über Nacht gebettet und am nächsten Morgen frühzeitig vom beauftragten Fuhrwerks- besitzer Depenbrock mit einer Karre nach Schöppingen gefahren, wo sie dann die gleiche Prozedur durchzumachen hatten, bis sie von Schöppingen zum  nächsten Ort weitertransportiert wurden.

Soweit kurz gefasst, der  Ablauf    über  Aufnahme und Weitertransport der durchreisenden kranken „Hollandgänger“. Was jedoch scheinbar ein „Alltagsgeschäft“ zu sein schien, war in Wirklichkeit oft eine Tragödie, ein unwürdiger Umgang mit den Kranken sowie ein Versagen der Behörden, sowohl vor Ort als auch höheren Orts.

Die Akten im Gemeindearchiv zeichnen ab 1826 die enormen Belastungen auf, mit denen die Kommunen auch schon in den Jahren zuvor konfrontiert gewesen sein dürften.

Bürgermeister Louis von Plönies führte in dieser Zeit einen umfangreichen Schriftverkehr, aus dem die ganze Dramatik hervorgeht. Für ihn stand neben dem Mitfühlen mit den kranken Durchreisenden nicht zuletzt auch die finanzielle Bürde der Kommunen im Vordergrund. Die nicht unerheblichen Kosten der Krankenpflege und der Weiterbeförderungen belasteten in erheblichem Maße den kleinen Etat der Bürgermeisterei.

1826 kamen deshalb der Bürgermeister und die Ratsvertreter auf die Idee, alle Pferdebesitzer in Heek und Nienborg zu den Kosten des Transportes der Kranken heran- zuziehen.11 Sie setzten pro Pferd 4 Silbergroschen, 6 Pfennige fest. Die Polizeidiener Grone  in  Nienborg  und  Hohle in

Heek nahmen 1827 von den Pferdebesitzern so 34 Reichsthaler (Rthl.) und 6 Silbergroschen (Sgr.) ein. Diese Art der Steuer traf sicherlich nicht bei den Pferdebesitzern auf Gegenliebe. Sie deckte jedoch bei weitem nicht die entstehenden Kosten durch die  kranken „Hollandgänger“.

 

Also begann Bürgermeister von Plönies andere Einnahmemöglichkeiten auszuloten. Das waren in erster Linie Gelder der Königlichen Regierung in Münster. Inzwischen war das Problem landesweit er- kannt und die Regierung hatte ihre Hilfe zugesagt und den Gemeinden die Kosten auf Antrag teilweise erstattet, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen.

Was die sogenannten „Krüppelfuhren“  betraf,  hatte  von  Plönies über viele Jahre den Fuhrwerksbesitzer Depenbrock aus Nienborg mit dem Weitertransport der Kranken zum Nachbarort Schöppingen beauftragt. Dieser erhielt pro Fuhre 10 Sgr. Depenbrock war jedoch immer, ohne Anfrage des Fuhrpreises bei anderen möglichen Interessenten, die Durchführung der Fuhren übertragen worden. Auf Anordnung der Regierung und sicherlich auch auf Wunsch anderer Fuhrwerksbesitzer, mussten nun die Fuhren mindestbietend ausgeschrieben werden. In der Ausschreibung von März 1835 wurden erstmals die Bedingungen, unter denen die Fuhren durch- zuführen waren, im Detail festgelegt:

„Nach geschehener öffentlicher Bekanntmachung mittels des anliegenden Publicandum wurde heute der Transport der hier aus Holland erkrankt ankommenden sogenannten Gras- mähern den Mindestbietenden unter nachstehenden Bedingungen verdungen.

  1. pro Der Entrepreneur12 ist verpflichtet, die ankommenden Kranken gleich nach ihrer Ankunft von hier auf einer sich hierzu eignenden Karre nach Schöppingen zu fahren.
  2. Die Karre oder der zum Transport zu benut- zende Wagen muß stets mit einigen Bünden rei- nen frischen Stroh verse- hen sein, so daß die Kranken bequem darauf sitzen nach Umständen auch liegen können.
  3. Im Fall mehrere Kranke zu transportieren sind, so muß Entrepreneur in einem Tage 2 mahl von hier nach Schöppingen fahren; kommen zwei Kranke zugleich an, so muß er beide zugleich weiter transportieren, welches indeß nur als eine geleistete Fuhre berechnet wird.
  1. In den    Monaten Juni, July, August und September muß Entrepreneur, wenn um 4 Uhr Nachmittags noch ein Kranken ankömt, denselben sofort weiter transportieren.
  1. Der Entrepreneur muß, so wie es tunlich ist, den Kranken alle mögliche Hülfe und Bei- stand leisten, dieselben mit Menschenliebe behandeln, beim Auf, und Absteigen vom Wagen, Karren behülflich
  2. Nach dem Jahresschluß reicht Unternehmer bei dem unterzeichneten Bürgermeister die Rechnung für gelieferte Fuhren ein, ….“
  3. Die Genehmigung des Verdinges seitens der höheren Behörde bleibt
  4. Jeder ist an sein Geboth gebunden, indeß bleibt es dem Bürgermeister unbenommen, von den 3 letztbiethenden einen in Vorschlag zu bringen respt. auszuwählen.

Hiernach wurde die Höhe zu dem bisherigen Preis ad 15 Silbg. ausgesetzt. Es boten hie- rauf:

Depenbrock                       14 Sgr.            je Fuhre

Borgers                              12 Sgr.

Depenbrock                       11 Sgr.

Borgers                              10 Sgr.

Zumpohl, Engelbert           9 ½ Sgr.

Und nachdem keiner mehr bieten wollte, wurde das Protokoll geschlossen.“

Der Mindestfordernde Engelbert Zumpohl erhielt den Zuschlag und führte die Fuh- ren ab 1835 nach Schöppingen aus. In den Folgejahren wurden die Fuhren jährlich neu ausgeschrieben, wobei diesmal auch Metelen als möglicher Zielort angegeben wurde. Die letzte aktenkundig belegte Ausschreibung der Fuhren erfolgte im Juli 1839, wobei Hermann Depenbrock aus Nienborg der Mindestfordernde war.

Von den 1827 in Nienborg an- kommenden 42 „Hollandgängern“ blieben 26 über Nacht, darunter wie zuvor berichtet, Hermann Heitmeier und Steffen Schwartze. Beide wurden vom Fuhrunternehmer  Depenbrock  im  Rahmen der„Krüppelfuhren“ nach Schöppingen gefahren. Einige Tage davor hatte dieser den Kranken Martin Linne aus Enkhausen, welcher morgens krank in Nienborg angekommen und von Loesbrock zu Mittag verpflegt worden war, so- gleich nach Schöppingen gebracht. Depenbrock erhielt im April 1828 nach Abrechnung der Fuhren aus dem Vorjahre 23 Rth. und   10 Sgr. von der Bürgermeisterei ausbezahlt. Ein durchaus lohnendes Geschäft, denn bis in den Oktober 1827 hinein hatte er 42 Kranke nach Schöppingen befördert, davon allein im August 15.

Auch Gerhard Henrich Loesbrock reichte dem Bürgermeister seine Rechnung über die Verpflegungs- und Übernachtungskosten ein. Zwar hatte von Plönies mit ihm einen pauschalierten Betrag je Kranken vereinbart und eine genaue Auflistung der verpflegten Personen gefordert, aber weder er noch Loesbrock nahmen es aber so ganz genau damit. Als er jedoch die Königliche Regierung bat, der Bürgermeisterei die Kosten für das zurückliegende Jahr 1826 zu erstatten, erntete er massive Kritik an seiner mangelhaften Rechnungslegung. Weder sei eine präzise namentliche Auflistung der kranken Personen noch ihrer spezifische Verpflegung und schon gar nicht die gezahlten Sätze dafür dargestellt worden. Auch fehle die Attestierung des Bürgermeisters, dass die „verpflegten Individuen“ sämtlich unbemittelt gewesen seien, um die Kosten ihrer Verpflegung selbst zu bestreiten.

„Für die Zukunft müsse ein „wohlfeileres“ Verfahren für die „armen und erkrankten Hollandgänger“ gefunden werden. Als erstes müssten nach Rücksprache mit den Armenvorständen die Verpflegungssätze nach der „Localität“ spezifiziert aufgestellt und eine schriftliche Vereinbarung mit dem Krankenwärter abgeschlossen werden. Eine weitere Forderung enthielt, dass die „transportablen Kranken auf kürzester Tour nach ihrer Heimath“ befördert werden, und was „die Verpflegung der kranken Hollandgänger betrifft, so müßen diese Individuen sogleich bey ihrem Eintreffen über ihre Verhältnisse befragt werden. Vornehmlich woher sie kommen, und ob sie Vermögen besitzen. Ge- wöhnlich haben diese Menschen ihren ganzen Erwerbsbetrag bey sich, und es müßen daraus auch Ihre Kur- und Verpflegungskosten bestritten werden.“ Sei dies aber nicht der Fall, „so müßten diese Kosten von der Behörde ihres Wohnorts zurück gefordert werden.“

 Die Regierung lenkte diesmal noch ein, indem sie ab- schließend schrieb, „da die Verpflegung indeß einmal geschehen“ sei, wolle sie trotz der mangelhaften Rechnungslegung versuchen, das Nienborg wenigstens einen Teil der Kosten „bei der Vertheilung der diesjährigen „Verhorsten- Stiftungs-Überschüsse“, ersetzt erhalte.

Als erstes schrieb von Plönies, zusammen mit den Vertretern der Nienborger Armenkommission,  H. Nacke  und

C.F. Uppenkamp im Februar 1828 spezifiziert die Leistungen der Verpflegung und Unterbringung der Kranken, öffentlich aus:

„1ts. Der Übernehmer der Krankenverpflegung ist verbunden den ankommenden Kranken nur gute, gesunde und zweckmä- ßige Victualien in reinlichen Geschirren zu verabreichen.

2ts. Muß der Entrepreneur die Kran- ken in eine ordentliche und reinliche Stube, Kammer führen, welche vorher gehörig gelüftet, und vor und nach der Ankunft der Kranken mit etwas Essig, welches über einer heißgemachten eisernen Schaufel gegoßen, ausgeräuchert werden muß.

3ts. Wenn die Kranken über Nacht hier bleiben, so muß denselben eine reinliche Lagerstätte, worunter bei jedem Wechsel Stroh gelegt werden muß, bereitet werden.

4ts. Ist der Entrepreneur verpflichtet, in den Wintermonaten die Kranken in eine warme Stube zu führen, und zu verpflegen.

5ts. Die Genehmigung der landräthlichen Behörde dieses Contracts wird vorbehalten.“

Der einzige Bieter war Gerhard Henrich Loesbrock. Für die Kranken, „so bey Tage angekommen und an demselben Tage wieder abgehen“, verlangte er 5 Sgr. und für diejenigen „so über Tag und Nacht hierselbst verpflegt werden müßen“ 10 Sgr.. In Anbetracht „der vielen Last“ müsse er diese Beträge verlangen. Der Bürgermeister von Plönies und die Beisitzer der Armenkommission mussten wohl oder übel zustimmen. Auch der Landrat von Westhoven stimmte im März 1828 dem Vertrag mit Loesbrock zu.

Da die Kosten nicht vollständig gedeckt werden konnten, versuchte von Plönies auch vom Armenvorstand in Nienborg einen Zuschuss zu bekommen. Doch er bekam von diesem eine Absage. Die Rechnung des Henrich Loesbrock könne „nicht aus dem Ertrag der Collecten gedeckt werden, da die Eingesessenen des hie- sigen Wiegbolds ihre milden Gaben, zur Aus- theilung an hiesige nothleidende Hausarmen, und nicht für Fremde Hollandgänger hergereicht hatten. Außerdem bedürfte es kein Zweifel, daß sobald es die hiesigen Bürger erführen, daß die Collec- ten Gelder zu derartigen Mitgabe verwandt, fer- nerhin keine milde Gabe hierzu verabreichen würden. Letzteres wäre um so mehr schmerzhaft, da wie Euer Hochwohlgeboren selber wohl wis- sen, die Bereithschaft dafür von Tag zu Tag abnimmt.“

 Da die Zahl der Hollandgänger immer mehr zunahm und der Ruf der überforderten Ämter an die Regierung immer größer wurde, verfügte diese im Februar 1828, dass die Bürgermeister jährlich über die Zahl der Hollandgänger ihres Bezirkes sowie über die „Zahl der davon erkrankt zurückgekommenen oder Verstorbenen, und über den ungefähren Verdienst dieser Leute nach einem Durchschnitt“ zu berichten hatten. Dazu sollten sie eine genaue Recherche anstellen, „wer in diesem Jahr zum Arbeiten im Holländischen abwesend“ war und diese nach deren Rückkehr darüber zu vernehmen. Von Plönies erließ eine entsprechende Bekanntmachung an die Einwohner seiner Bürgermeisterei.

Eine größere Anzahl von Personen aus Heek und Nienborg, die in Holland einer Saisonarbeit nachgingen, gab es wahrscheinlich nicht. Die Akten aus dieser Zeit enthalten jedenfalls keine Auskunft darüber. Lediglich im Mai 1839 wurde dem   „Garde – Landwehrmann“ Bernhard Brockhaus aus Heek eine Erlaubnis ausgestellt, „zum Arbeiten in Holland auf vier Monate, resp. bis zum 22. September.“

Erlaubnis für Bernhard Brockhaus

Was verstorbene „Hollandgänger“ anbetraf, teilte die Regierung mit, es sei „wahrgenommen worden, daß für die Beerdigung fremder Armen willkürlich hohe Kosten angesetzt“ worden sind. Es wurde daher verfügt, „daß ein jeder Arme mit 1 Rthl. zur Erde bestattet werden kann. Alle übrigen bei einem solchen Begräbnis veranlaßten Kosten gehen über das Nothwendige hinaus, wofür kein öffentlicher Armenfonds aufkommen darf. Es ist daher demjenigen, welcher dergleichen Mehr-Ausgaben veranlaßt hat, zu überlaßen, von jedem Liquidanten im Wege Rechtens die Erstattung des Mehrbetrages zu fordern, wenn er sich getrauet, damit durchzukommen. Mehr als 1 Rth. kann für das Begraben eines Armen auf keinen Fall gut gethan werden…“

 Die anfallenden Kosten für Transport, Verpflegung und Übernachtung belasten den Etat der Bürgermeisterei immer mehr. Zwar konnten diese theoretisch von den Wohn- ortgemeinden der Kranken zurückgefordert werden, doch war dies ein aufwendiger und schwieriger Verwaltungsvorgang, den Bürgermeister von Plönies scheute und auch nicht einsah. So kam er auf die Idee, die Kosten einfach von dem nächsten Ort, wohin die Kranken gefahren worden waren, einzufordern. In diesem Falle von der Bür- germeisterei Schöppingen.  Dessen  Bürgermeister Meyer jedoch  weigerte  sich, die Forderung aus Nienborg voll zu begleichen. Von Plönies beschwerte sich im August 1829 beim Landrat: „Am 8t. d.M. wurden mir Abends circa um 6 Uhr mit der gewöhn- lichen Krüppelfuhr vom Bürgermeister zu Epe 2 kranke Hollandgänger zu- gebracht. Einerdavon hieß Bernd Henrich Biermann aus Wiedenbrück, der an- dere Henrich Gottlieb Quisbrock nach seinem    bey    sich führenden    guten Paße aus Ehrentrup im Fürstlich Lippischen Amt Hiefen gebürtig. Die Verpflegungskosten für diese beiden Individuen betrugen nach dem mit dem hiesigen Krankenwärter Loesbrock abgeschlossenen und von Euer Hochwohlgeboren unterm 3. März 1828 No. 775 geneh- migten Contracte, 17 Silbergroschen. Hiervon hat mir der Herr Bürgermeister zu Schöppingen nur 8 ½ Silbergroschen erstattet.“ Abschließend merkte er noch an, dass nach seinen Untersuchungen „keine Caria bei denselben vorgefunden sind, ferner angenommen, daß nach der Hochlöblichen Äußerung für Auswärtige keine Verpflegung erstattet werden soll. Wer soll dann die Verpflegung zahlen? – Die Gemeinde –. Das wäre doch offenbar drückend und unbillig.“

 Der Landrat antwortete ihm, dass die Verpflegungskosten, sofern sie nicht aus den etwaigen Barmitteln der Betroffenen gedeckt werden können, diese von den Behörden des Wohnortes zurückgefordert werden müssten. „Daß solche Kosten von Station zu Station erstattet werden sollen, ist daraus nicht gesagt, und mithin konnte auch die Einziehung von der nächsten Ortsbehörde nicht, sondern nur direct von der Behörde des Wohnortes des Kranken geschehen, welches letzten Ends Ihnen überlaßen bleibt.“

Die Klagen der Bürgermeister über „die denselben durch den Transport und die Verpflegung erkrankter Hollandgänger erwachsende große Belastung“ wurden immer drängender. Das bekamen in erster Linie die Landräte zu hören. Sie versprachen den Bürgermeistern dies „höheren Orts zur Sprache zu bringen“ und zu versuchen, „ob nicht wenigstens ein außerordentlicher Zuschuß für die Armenkassen aus Staatsfonds zu erhalten ist.“ Im Juli 1831 baten sie die Ortsbehörden um Angaben wie viele Fuhren und welche Ausgaben im laufenden Jahre noch notwendig werden würden, da „die Zahl der Hollandgänger überaus groß und viel größer wie in den Vorjahren ist.“ Es sollte dies zur besseren Begründung des landrätlichen Antrages gegenüber der Re- gierung dienen. Von Plönies antwortete ihm, „daß im Sommer 1831 inklusive des heu- tigen Datums bereits 24 Fuhren gestellt und die Verpflegungskosten 9 Rth., 25 Sgr. in Summa 21 Rth. 25 Sgr. betragen.“

Nach wie vor drängte der Landrat jedoch darauf, den Kostenersatz bei den Wohn- ortgemeinden der „Hollandgänger“ anzumelden, was von Plönies zu dem Kommentar veranlasste, das die „Erfah- rung in den Vorjahren es aber gelehrt hat, daß ein solcher Regreß zu nichts führt, indem die Gemeinden Gründe genug zu finden wissen, die Erstattung abzulehnen.“

 Ob er es tatsächlich versucht hatte, ist zumindest für die Vorjahre, wie er behaup- tete, nicht belegt. Ab 1832 hatte er jedoch verschiedene Städte und Bürgermeistereien angeschrieben, ihnen die Namen der kranken Personen mitgeteilt und um Erstattung der Kosten gebeten. Der Stadtdirektor Brandis aus Paderborn antwortete ihm im Ja- nuar 1833 „daß die darin benannten Hollandgänger in der Stadt Paderborn nicht wohn- haft, und mir ganz unbekannt sind, weshalb anzunehmen ist, daß dieselben zu irgend andern Orten des Kreises Paderborn oder der benachbarten Kreise gehören. Aus dem Bürgermeisterei-Bezirke der Stadt Paderborn sind im Jahre 1832 nur folgende 3 Einwohner 1. Ferdinand Vogt, 2. Wippermann, 3. Johann Bamberg nach Holland gegan- gen und ist von denselben unterwegs keiner erkrankt.“

 Der Bürgermeister von Lette bei Clarholz, den er um Erstattung der Verpflegungs- kosten für B. Schlüter in Höhe von 8 ½ Sgr. anschrieb, antwortete ihm, dass „in Lette kein Schlüter zu finden“ sei. Die Stadt Bielefeld sollte für kranke Hollandgänger 1 Rthl., 4 Sgr. erstatten, bat jedoch „den Wohnort der fraglichen Leute gefälligst angeben zu wollen.“ Den kannte von Plönies nicht. Er schrieb, um den Fall abzuschließen, als Ak- tenvermerk: „Der Wohnort kann nicht näher angegeben werden, daher ad Acta“. Er- folgreich war er nur bei der Stadt Telgte, die ihm für den kranken Hollandgänger B. Evens 9 Sgr., 6 Pf. erstattete.

Von Plönies, der zu Beginn seiner Amtszeit dynamisch agierte und durchaus erfolgreich sein Amt ausübte, lies später in seiner Amtsführung im- mer mehr nach, was sich auch zeigte, in der unge- nügenden Beitreibung der Krankenkosten bei den Wohnortgemeinden. Landrat Theodor von Heyden mahnte ihn im Dezember 1833, „daß Sie den, der Bürgermeisterei Nienborg zustehenden Regreß an die Gemein- den, denen die verpfleg- ten Armen angehören nachträglich geltend ma- chen und spätestens bei Abnahme der betreffen- den Gemeinderechnung über den Erfolg mit der Bemerkung informieren, wo die erstatteten Be- träge wieder zur Ein- nahme gestellt werden. Ich setzte Sie hiervon in Kenntnis, damit Sie es nicht unterlassen, zu  der fraglichen Regreßnahme überzugehen. Der unglückliche Versuch im Vorjahre wo nämlich von den gezahlten Kosten wenig oder gar nichts zur Erstattung gekommen, kann keinen Grund abgeben, auch jetzt auf die Unbeibringlichkeit dieser Kosten zu schließen. Noch viel weniger kann dieses ein Grund sein, den jetzigen Versuch der Kosteneinziehung ganz zu unterlassen, wie Sie dieses beabsichtigen. Es ist jetzt vorab notwendig, daß Sie die Gemeinden, an welche der Regreß genommen werden muß, bestimmt ermitteln, da die Lösbröcksche Rechnung sie theils gar nicht, theils nur undeutlich enthält.“

 Die Amtsführung des Bürgermeisters, der ständig abwesend war, wurde zuneh- mend untragbar. Die Lage spitzte sich 1836 zu, als bei einer Revision durch den Land- rat festgestellt wurde, „daß eine völlig mangelhafte Aktenführung vorhanden war und dazu noch Akten fehlten.“ Am 21. April 1836 suspendierte ihn die Königliche Regierung in Münster von seinen Amtsgeschäften.

Vier Tage später wurden auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten neu ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt wiederum Loesbrock, der als einziger die Ver- pflegung für den Tag und die Nacht zusammen angeboten hatte, zu 7 Silbergroschen.

Unter der Ägide von August von Martels, dem Nachfolger von Louis von Plönies, wurden auch weiterhin die ankommenden kranken „Hollandgänger“ verpflegt und zu den Nachbarorten weitertransportiert. 1837 waren es jedoch nur noch 15 Kranke und die Zahl nahm in den kommenden Jahren immer mehr ab. Gründe hierfür waren ver- besserten Einkommensbedingungen und nicht zuletzt die massenweise Auswande- rung von jungen Männern und Frauen

„Namentliches Verzeichnis sämt- licher im Jahre 1827 angekom- menen und abgegangen armen kranken Reisenden und Holland- Gängern“

 

 

 

 

Lfn

Datum Ankunft  

Name, Vorname

Wohnort/ Datum  

Bemerkungen

Geb.Orts Abgang
1 26. 5. Johänning, Bernard Bühne 26.5. Inhaber ist blos zu Mittag verpflegt
2 2. 6. Otto, Heinrich Füchtorff 2.6.
3 8. 6. Plahs, Conrad Neuenkirchen im Paderbornschen 9.6. Inhaber ist verpflegt und übernachtet
4 10. 6. Linne, Martin Enkhausen 10.6. Ist verpflegt und gleich w eiter

gefahren

 

5

 

15.6.

 

Heitmeier, Hermann

 

Lippstadt

 

16.6.

Haben hier beide übernachtet und zu Abend gegessen und beim w eiteren Transport von hier w ieder verpflegt.
6 15.6. Schwartze, Steffen Lippstadt 16.6. dto.
7 16.6. Uekötter, Anton Greffen 16.6. Ist zu Mittag verpflegt

 

 

 

 

 

Lfn

Datum Ankunft  

Name, Vorname

 

Wohnort / Geb.Orts

Datum Abgang  

Bemerkungen

 

8

 

4.7.

 

Kuhlmann, Johann

 

Ahsen

 

5.7.

Haben hier beide übernachtet und zu Abend gegessen und beim w eiteren Transport von hier w ieder verpflegt.
9 4.7. Müller, Joseph Großeneder Kr.

Warburg

5.7. dto.
10 12.7. Hust, J.H. Neukamnitz 13.7. Wie vor
11 24.7. Pieper, Wilm Munchkau 25.7. Wie vor
12 25.7. Zumstickling, Johann Verl bei Wiedenbrück 25.7. Zu Mittag verpflegt
13 25.7. Rummel, Joh. Jodoc. Verne Kreis Büren 26.7. Wie Nr. 8
14 28.7. Lamers, Henrich Westerloh 28.7. Zu Mittag verpflegt
15 30.7. Müller, Joseph Hiddinghausen, Kr. Büren, Reg. Minden 20.7. In der Nacht zum 30. Auf den 31. Juliy bey Loesbrock verpflegt
16 30.7. Name fehlt! Liesborn 30.7. Zu Mittag gegessen
17 2. 8. Ammerieth, Johann Doose, Paderb. 2.8. Morgens 8 Uhr angekommmen, 9 Uhr abgegangen
18 2.8. Bill, Bd. Hr. Freckenhorst 2.8. Abends angekommen und verpflegt bis zum anderen Morgen.
19 16./17.8 Huesmann, Henrich Nordwalde 17.8. dto.
20 16./17.8. Winter, Caspar Rittberg 17.8. dto.
21 18./19.8. Vashier, Philipp Münster 19.8. dto.
22 21.8. Kersting, Peter Delbrueck 21.8. dto.
23 21.8. Timmer, Herm. Westerloh 21.8. dto.
24 21.8. Heefort, Christoph Lippstadt 21.8. dto.
25 22.8. Doodt, Christoph Harsewinkel 22.8. dto.
26 23.8. Reek, Henrich Wiedenbrück 23.8. 1 Stunde hiergew esen
27 25.8. Typhans, Joseph Clarholz 25.8. Zu Mittag verpflegt
28 26.8. Tiekelbrock, Bernd Wiedenbrück 26.8. Dto.
29 26.8. Dieckmann, Wilhelm Brockhagen 26.8. Dto.
30. 30.8. Twehues, Theo, Henr Albachten 31.8. Zur Nacht verpflegt
31 31.8. Biekmann, H. Harsewinkel 1.9. Dto.
32 1. 9. Neukärten, J.B. Klarholz 1.9. Zu Mittag verpflegt
33 1.9. Neuton, Ferd. Haveloh 1.9. dto.
34 1.9. Brüggenkamp, Joh. Greffen 1.9. dto.
35 1.9. Herfe, Jacob 1.9. dto.
36 1.9. Budde, Franz Weine 1.9. dto.
37 1.9. Körner, Arnold Westenhof 1.9. dto.
38 18.9. Vohs, Henrich Delbrüggen 19.9. Zur Nacht verpflegt
39 24.9. Name fehlt! 24.9. Zu Mittag verpflegt
40 1. 10. Schmidt, Conrad 1.10. dto.
41 1.10. Farenkemper, Henr. Neuenkirchen 1.10. dto.
42 19.10. Müller, Johann 19.10. dto.

 

Liste der „Krankenverpflegung zu Nienborg; hinsichtlich der Hollandgänger“, 1837, (GA Heek, C 53)

 

1 Bürgermeister von Plönies nennt sie in einer Ausschreibung der Transportkosten im Mai 1835 „aus Holland ankommende sogenannte Grasmäher“ GA Heek, C 54

2 Vgl. Aloys Nacke, Karitas und Soziale Fürsorge, S. 458 in: Heek und Nienborg – Eine Geschichte der Gemeinde Heek, Josef Wermert und Heinz Schaten, 1998

3 Die Zahl der Hollandgänger ist nicht genau belegt, wird aber zwischen 1700 und 1875 auf 20000 – 40000 im Jahr geschätzt.

4 Aloys Nacke, Karitas und Soziale Fürsorge

5 Andreas Nilges: Westfalen als Saisonarbeiter und Unternehmensgründer in den Niederlanden http://www.d-nl.net/k_v/ava/archiv/alt_eksn/1-in-rb-nil.htm. Siehe auch: Dr. Andreas Eyinck, Holland- gänger (http://www.kultur-portal-nordwest.de), Emslandmuseums Lingen und Gisbert Strootdres: Femde in Westfalen. Westfalen in der Fremde, Landwirtschaftsverlag GmbH Münster-Hiltrup, 1996

6 Es wurden folgende Akten im Gemeindearchiv herangezogen: C 54, Acta specialia betreffend den Transport der kranken Hollandgänger, C 53 – Verpflegung kranker Hollandgänger, C 3597 – Verzeich- nis kranker Hollandgänger, C 551 – Paßerteilung, C 58 – Paß-Polizei

7 GA Heek, C 3597

8 C 58, Pass Polizei betreffend

9 Die Rückseite des Passes enthält die Stempel und Unterschriften der jeweiligen Polizeibehörde

10 Ob er jeweils zur Begutachtung der Kranken, den ortsansässigen Nienborger Arzt, Dr. Ridder anfor- derte, ist nicht dokumentiert. Augenscheinlich war allein der äußere Eindruck der Kranken so selbstre- dend, dass er wahrscheinlich in den meisten Fällen darauf verzichtet hat.

11 C 54 – Acta specialia betreffend den Transport der kranken Hollandgänger. In der Hebeliste „zur Deckung der Krüppelfuhrkosten in der Bürgermeisterey Nienborg“ werden alle Pferdebesitzer nament- lich aufgelistet

12 Entrepreneur = Unternehmer

13   C 551, GA Heek

Geschichtlicher Hintergrund

Der römische Schriftsteller Tacitus berichtete von den dunklen und teilweise undurchdringlichen Wäldern Germanien in einer Zeit, in der seine Landsleute einen Großteil der Waldbestände Mittelitaliens schon verbraucht hatten als Bauholz für das prächtige Rom, für die mächtige Flotte und für Brennholz u.a. zur Befeuerung der üppigen römischen Bäder.

Das führte zu irreversiblen Umweltschäden, die sich noch heute zeigen.

In Deutschland setzte diese Entwicklung des Raubbaues am Wald in der zweiten Hälfte des Mittelalters ein. Man kann von dem hölzernen Zeitalter sprechen, das erst ab 1830 vom Kohlezeitalter abgelöst wurde.

Was der Wald damals den Menschen alles lieferte, mag nachfolgende Zusammenstellung deutlich zeigen. Und daran war indirekt und direkt auch die besitzlosen Landbevölkerung (und damit die Heuerleute) maßgeblich beteiligt.

Landwirtschaftlicher Bereich:

Waldweiden waren für die Viehhaltung dringend vonnöten, aus Mangel an Stroh wurde der Wald quasi leergefegt.

Das Laub diente der Einstreu und in schlechten Zeiten sogar als Ersatzfutter. Damit war den Bäumen der dringend benötigte Humus genommen.

Zunehmend wurden die Bäume regelrecht erzogen und es entstanden sogenannte Hudewälder, deren Baumkronen von den Menschen auf möglichst große Fruchtausbeute (insbesondere Eicheln und Bucheckern) getrimmt wurden.

16 Hudewald

Reste eines Hudewaldes im Emsland            Foto: Böckenhoff – Grewing

In der Grafschaft Bentheim wird seit mehreren Jahren diese frühere Waldnutzung der Hutung  in Zusammenarbeit  u. a. mit der Bentheimschen Domänenkammer im Besitz des Fürsten,  dem Tierpark Nordhorn und dem Landkreis Grafschaft Bentheim auf einer Fläche von mehr als 20 Hektar wieder praktiziert.

Im Emsland zeigt das Borkener Paradies bei Meppen noch Reste eines Hudewaldes.

Borkener_paradies_105

Foto: Norbert Kaiser bei Wikimedia Commons

In der historischen Literatur ist die Rolle des Waldes im Leben der Menschen der vergangenen Jahrhunderte umfangreich beschrieben.

Das wohl bekannteste literarische Werk, in dem im 19. Jahrhundert der Wald eine bedeutende Rolle spielt, ist die Novelle Die Judenbuche von der Schriftstellerin Annette von Hülshoff aus dem Jahre 1842.

Dort spielt der Holzklau einen entsprechenden Hintergrund.

Weitere Großabnehmer von Brennholz waren in der vorindustriellen Zeit Ziegeleien, Salinen, Brauereien und Brennereirn, Glas- und Eisenhütten.

Viel Holz wurde verbraucht bei der Herstellung von Holzkohle. Dieses Foto (Archiv Robben) entstand im Oberpfälzer Bauernhofmuseum.

Köhler 2_bearbeitet-1

Beim Hausbau war Holz ein bedeutender Baustoff.

 

Ausführlichere Informationen dazu unter dem Unterthema Nutzung

 

 

Überweidung durch Schafe

 

Eine auf Dauer weitere Schädigung der Lebens- und Umweltbedingungen lag in der Art der Viehhaltung. Auf dem nebenstehenden Foto von 1929 sind noch Reste eines Hudewaldes auf dem Hümmling zu erkennen. Um eine möglichst große Ausbeute an Eicheln und an Bucheckern zu erhalten, wurde die Krone der Bäume immer wieder ausgeschnitten, um ein noch intensiveres Kronendach zu erhalten. So entstanden knorrige Altbäume

hude

Foto: Archiv Böckenhoff-Grewing

Die Menschen hüteten (hudeten) ihre Nutztiere in den Sommermonaten in den Wäldern. Insbesondere die Schweine fanden im Herbst reichlich Nahrung an Bucheckern und Eicheln. Allerdings hatte diese Waldweidewirtschaft langfristig auch Folgen. Da die Nutztiere sämtlichen Aufwuchs wegfraßen, war eine natürliche Verjüngung des Waldes nicht möglich.

Auch das Laub des Waldes wurde von den Bauern damals abgefahren und als Einstreu genutzt. So kam es im Laufe der Zeit zu einer starken Auflichtung der heimischen Wälder.

Der Beginn des Raubbaues am Wald lag aber schon weit vor unserer Zeit. Nach 1400 hatte die Waldvernichtung einen ersten Höhepunkt erreicht und im weiteren Verlauf verwandelte sich das Emsland von einem einst reich bewaldeten Land in eine fast baumlose Gegend. Wald war bis auf ein paar spärliche Reste nicht mehr da. Dort, wo es einmal Wald gegeben hatte, dort war der Mensch neben dem Holzverbrauch auch mit seinen Nutztieren gewesen. Übrig blieb nur noch Heide.

Damit war aber der Prozess der Vernichtung der Vegetation im Emsland noch nicht beendet, denn die zunehmende Entwaldung und die darauf folgende Verheidung der Landschaft veränderten zwangsläufig die Art und Weise der Landwirtschaft.

Jetzt wurden auch die Heideflächen vom Menschen ausgebeutet. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts gab es kaum noch Eichenwälder, die für die Schweinehaltung und –mast notwendig gewesen wären, so dass immer mehr Schafe gehalten wurden, die in ihrer übergroßen Zahl mit ihren scharfkantigen Klauen an vielen Stellen die Heide so zertraten, dass diese nicht mehr nachwachsen konnte.

bild2

Foto: Archiv Böckenhoff-Grewing

Raubbau am Wald

16 Hudewald

Die Plaggendüngung vernichtet den Wald!

Achon im Mittelalter griffen die Bauern zur intensiveren Nutzung des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ackerbodens auf die Plaggendüngung zurück.

So konnten sie nach der so genannten Dreifelder – Wirtschaft ein Drittel mehr Nutzfläche erhalten und damit die Erträge entsprechend steigern. Das lag auch im Interesse der Landesherren, die so auf höhere Abgaben rechnen konnten.

Allerdings führte diese Entwicklung zwangsläufig zu einem deutlichen Nährstoffverlust der intensiver genutzten Felder, die sich nun nicht mehr in der Brache erholen konnten. Durch die jährliche Ernte fehlte dem Boden zunehmend die Kraft, ausreichende Ernten zu sichern. Der zur Verfügung stehende Stalldung reichte dafür nicht aus. Hier griffen nun die Landwirte zunehmend auf den Plaggenstich in den Wiesen und auch Wäldern. Dabei schälte man die obere Humusschicht ab und gab diese zusammen mit dem Laub der Waldungen in den Stall als Einstreu.

Diesen so gewonnenen Dünger brachte man auf die Eschflächen, die im Laufe der Jahrhunderte durch den an anderer Stelle entnommenen Boden in manchen Gegenden um etliche Zentimeter anwuchsen.

Die durch die Plaggenentnahme geschädigten Wiesen und Weideflächen waren für die Rinderhaltung zunehmend verloren und die Landwirte mussten zur weniger anspruchsvollen Haltung von Schafen übergehen. Als man nun dazu übergehen musste, auch in den Waldgebieten Plaggen zu stechen, wurden auch diese Flächen nachhaltig so zerstört, es bildeten sich ausgedehnte Heideflächen.

 

Übermäßiger Plaggenstich


Damit begann die Katastrophe der Wehsande

Der ungeheure Flächenbedarf der Plaggenwirtschaft wird aus folgender Modellrechnung deutlich: Zwei Personen sind ernährbar von ca. 1 ha Ackerland. Dafür bedarf es einer Regenerationszeit der Heidefläche von ca. 20 Jahren und Bedarf von 2 ha Fläche pro 1 ha Ackerfläche insgesamt 40 ha Plaggenfläche. Dabei handelt es sich noch um ein vergleichsweise günstiges Verhältnis. Bei 10 ha Plaggenfläche pro 1 ha Ackerfläche erhöht sich der gesamte Heideflächenbedarf auf 200 ha.

Die angegebenen Zahlen sind selbstverständlich abhängig von der allgemeinen Bodenfruchtbarkeit und von dem pfleglichen Umgang mit den Düngerquellen. Die Nutzung der Plaggen erfolgte in erster Linie als Streu mit dem Ziel, sie später nach erfolgter Düngung durch das Vieh auf die Ackerflächen aufzubringen. Aber auch als  Dachmaterial, als Wärmedämmung bei Häusern und Stallgebäuden sowie als Brennmaterial fanden die Plaggen Verwendung.

Durch das Plaggenhauen oder durch den Plaggenstich wurde der Boden immer wieder entblößt, so dass der Wind große Teile der leichten Sandböden verwehen konnte. Die Bildung ausgedehnter Dünen – und Flugsandfelder war die Folge.

aus: Michael Hilbk, Nikolaus Schneider (Hg.) Ressourcen: Aus welchen Quellen lebt der Mensch? Reihe: Nachwirkungen - Bildungsimpulse aus der Provinz Schriften des aktuellen Forums VHS Ahaus Bd. 8, 2011 S. 116

darin Joachim Hüppe: Ausbeutung der Ressourcen bis zur Devastierung - Entstehung der Heidelandschaften in Mitteleuropa.

Dok4

…dann liegt das Dorf im Sarg….

Um einen Acker zu düngen, brauchte man an Plaggengrund im Extrem etwa die Fläche von 20 bis 25facher Größe. Übrig blieben die nackten abgeplaggten Sandstellen.

Dann musste man aber dieses Areal 15 Jahren in Ruhe lassen, damit wieder ein Pflanzenbewuchs sich einstellen konnte. Wenn die abgeplaggten Stellen zu groß waren – und das passierte immer häufiger – bildeten sich  Sanddünen. Und da der Wind und die Stürme sich wegen fehlender Wälder richtig austoben konnten, nahmen sie den Sand mit. Das wurde nun zunehmend gefährlich für die Menschen. Zum einen wurden so Äcker unwiederbringlich zerstört oder die gewaltigen Sanddünen bewegten sich sogar ins Dorf.

Schepsdorf ist ein Vorort von Lingen.

Hier lässt sich die Bedrohung durch Wehsand heute noch sehr gut beweisen. Während das übrige Stadtgebiet von Lingen mit 24 Meter über NN angegeben ist, sind die heute noch vorhandenen angewehten Sandhügel bis zu 37 m hoch. Im Volksmund heißen sie Schepsdorfer Alpen.

 

Etwa 200 m südöstlich der Schule befindet sich die Kirche. Während sie früher auf einem Hügel lag und weithin sichtbar war, musste sie damals immer wieder freigeschaufelt  werden. Die Straße rechts auf der Karte, die direkt an der Kirche vorbei führt, liegt heute 1,80 m über dem unteren Türeingang in das Gotteshaus.

Karte: Heimatverein Schepsdorf
Foto: Archiv Robben

Entenglupen und Grammetvögelfang

 

Der Entenfang war in den Gebieten des Heuerlingswesens dort weit verbreitet, wo die Markengründe aus Mooren und sog. Broken bestanden, so im Bereich nordöstlich von Lingen.

So werden in der „Beschrivinge“ der Grafschaft Lingen vom Jahre 1550 die Einwohner Bawinkels „fogelfänger“ genannt.

Die Wildenten fing man in sogenannten „Glupen“. Das war eine längliche mit Wasser gefüllte Grube von etwa 15 Metern Länge und ungefähr drei Metern Breite. Auf jeder Seite waren Weiden angepflanzt, die über dem Wasserloch  zusammengebunden waren.

Nun war der Eingang dieser Fangstätte frei, der Ausgang hingegen durch ein Netz abgesperrt. Der besondere Fangtrick bestand nun darin, dass um die 50 Enten schon von klein an bei der Glupe aufgewachsen waren und tagsüber in die Niederungen flogen. Diesen zahmen Enten schlossen abends – wenn sie zur gewohnten Fütterungszeit zur Glupe zurück flogen –  die Wildenten an. Hatte sich nun diese Entenschaar dort nieder gelassen, konnte eine Person – nicht selten der Heuermann des Hofes – den Eingang leicht versperren.

Foto: Heimatverein Brögbern

82 Glupen

Beeren sammeln

 

Im Sommer und Herbst hatten die Kinder in der MarkBeeren zu sammeln!

Kap10-Bild-1-Blaubeerenernte-von-Kindern-aus-GM-Hütte-1941-Hans-Hasekamp