Musterbeispiel Papenburg

                                                                   Fallstudie Papenburg

Wie muss man sich die Lebensumstände in Papenburg um 1660 vorstellen:

Der Dreißigjährige Krieg mit seinen Grausamkeiten ist zwar überstanden, aber immer noch ziehen entwurzelte, marodierende Söldnerbanden auch im Nordwesten umher und plündern, rauben und morden.

Ein Großteil der in einem Radius von 50 bis 100 Kilometer rund um Papenburg lebenden Bevölkerung hat keinen Grundbesitz und fristet  von daher ein Leben  als Heuerling  oder nährt sich mühsam am Rande der Moore und geht im Sommer auf eine lebensgefährliche Niederland –  Tour als sogenannter Hollandgänger. Dabei haben Untersuchungen (Bölsker – Schlicht) ergeben, dass die Heuerlingsdichte entlang der Emsschiene Richtung Norden deutlich abnahm.

                                     Heuerleute sind die Stammväter von Papenburg

Hermann – Josef Döbber schreibt in seinem Buch:

Pa 5

Papenburg – aus der Geschichte der Stadt, 1981, S. 24–27

sinngemäss:

1639 siedelten sich die ersten drei Heuerleute an. Es waren Johann Lambers Veen, N. Hermann Hoff sowie Bernhard Schiffer. Sie gelten zusammen mit sieben anderen Siedlern, die sich bis 1657 nachweisen lassen, als die Stammväter von Papenburg.

 

Nun kommt Freiherr von Velen 1861 mit dieser  nachfolgenden Aussage per Anschlag:

Pa 6

                                                 

 

                              Eine Sensation für Papenburg!Pa 18

 

Das bedeutet:

  • eigenen Landbesitz
  • größtmögliche Freiheit vom Grundherrn
  • weitere Entwicklungsmöglichkeiten

–    als Landwirt und Siedler

–   als Schiffsbauer

–  als Seemann mit Aussicht auf ein eigenes Schifals Händler durch                                                                          den Verkauf von eigenen Torf im Tausch gegen Ziegel

– als Transporteur mit entsprechender Infrastruktur

Während die Städte der Umgebung im festen Griff der Zünfte und Gilden war, die eine gedeihliche Weiterentwicklung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zumindest zum Teil blockierten, konnte Papenburg auf mehreren Ebenen sehr frei wachsen. Das zeigte sich dann auch in der Folgezeit durch einen mächtigen Aufschwung in dieser ersten großen Fehnkolonie Deutschlands.

Ein wichtiger Indikator dafür ist sicherlich die steigende Zahl der in Papenburg beheimateten Schiffe.

 Die ersten Fehnsiedler im Moor!Pa 7

 

Während der allergrößte Teil der Flächen im Bourtanger Moor auf deutscher Seite unter Verwendung der sogenannten Moorbrandkultur besiedelt wurde, konnte in Papenburg ab 1661 eine geordnete und durchdachte Fehnkultur nach niederländischem Muster unter der Herrschaft von Velen entstehen.

Dabei entwickelten sich neue Wirtschaftsstrukturen, in deren Mittelpunkt ehemalige und noch aktive Heuerleute standen. Diese Wirkfaktoren sind in der nachfolgenden Darstellung bisher so noch nicht veröffentlicht worden.

 Abschließend und umfassend kann diese Thematik hier noch nicht behandelt werden. Sie wird jeweils an passender Stelle sukzessive weiter entwickelt.

 Die ersten Siedler errichteten auf dem Hochmoor einfache, fensterlose Behausungen aus Birkenstämmen. Das war eine Einraumhütte mit einer Kochstelle in der Mitte dieser elenden Kate, die noch keinen Schornstein besaß. Die Feuchtigkeit stieg aus dem nassen Boden auf und saß in den Wänden. Ein gesundes Wohnklima konnte dort nicht aufkommen.

 Die erste Verbesserung in dieser „Wohnkultur“ war ein Giebel aus Ziegelsteinen, die man sich durch den Torfverkauf an die Ziegeleien im benachbarten Rheiderland besorgen konnte.

 So entstand im Laufe der Jahrzehnte ein kleines festes – in aller Regel eigenes – Haus, an dem die Bedürftigkeit auch noch der zweiten und dritten Generation abzulesen war.

 Fotos: Archiv Robben

                                    Diese Schautafel in der von – Velen – Anlage „spricht Bände“…

Pa19

In Weiterentwicklung dieses Teilthemas:

Das aufstrebende Papenburg gab Heuerleuten aus anderen Teilen des Verbreitungsgebietes Arbeit und Auskommen

  •   Die Flößer aus Greven
  • Für den Schiffbau wurden aus dem waldreichen Gebieten des Münsterlandes insbesondere Eichen über die Ems nach Papenburg geflößt
  • Die Ziegler aus dem Lipperland
  • Die Lipper Ziegler arbeiteten als geschätzte Fachleute in den benachbarten Ziegeleien im RheiderlandPa 20

 

 

 

Heuerlingssohn als Pionier

Mein Urgroßvater mütterlicherseits: Heuerlingssohn – Lehrer – Hofbesitzer und mehr:

Gründervater des Genossenschaftswesens im südlichen Emsland

Hermann Schnelling, geb. MoormannAchnelling

Dieser interessante Mann wurde 1836 als Sohn eines Heuerlingsehepaares in Vinnen im Emsland geboren. Mit 22 Jahren übernahm er im Jahre 1858 in der Bauerschaft Bernte fünf Kilometer nördlich von Emsbüren  die Lehrerstelle. Dort freundete er sich mit dem Bauern Schnelling an. Als dieser 1872 starb, heiratete der Lehrer die Witwe Catharina, mit der er gemeinsam den großen Hof führte.

Sein Nachruf im Lingener Volksboten vom 10. Mai 1900 stellt ihn näher vor:

Heute Morgen wurden die sterblichen Überreste unseres lieben verstorbenen Lehrers Schnelling zur letzten Ruhe bestattet. Groß war der Leichenzug, und tief die Trauer der Teilnehmenden. Der selig Entschlafene war ein ganzer Mann, ein Charakter vom Scheitel bis zur Sohle, freundlich und entgegenkommend war er im Umgand, hilfreich allen, die seinen Rat und seine Hilfe suchten, klar und ruhig in seinem Urteil. 42 Jahre wirkte er in unserer Gemeinde als Lehrer und Erzieher. Neben seinen Arbeiten, denen er mit strenger Gewissenspflicht allzeit nachgekommen ist, war der seit 27 Jahren Vorsitzender des landwirtschaftlichen Vereins Emsbüren. Bekannt ist seine unermüdliche und erfolgreiche Tätigkeit in diesem Verein, der in den Verstorbenen einen wahren Freund und treuen Berater verloren hat, dessen Verlust schwer zu ersetzen ist. Seine Kollegen fanden sich in voller Zahl ein, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, ein Zeichen, wie sie alle ihm mit Liebe und Verehrung zugetan waren. Möge er nun ausruhen von seinen Arbeiten und den Lohn dafür empfangen in der Ewigkeit.

Friede und Ruhe seiner Asche.

Lehrer und Landwirt

Hermann Moormann hatte in Münster eine Kurzausbildung zum Lehrer absolviert, denn das war für einen Heuerlingssohn noch finanziell erschwinglich.

Durch die Heirat mit der Witwe eines größeren Bauern war er in die Lage versetzt worden, seine Erfahrungen praktisch umsetzen zu können. Der Bernter Bauer Hermann Schnelling, wie er nach seiner Heirat offiziell hieß, hörte 1883 als Ausschussmitglied des „Westfälischen Bauernvereins“ während einer Versammlung in Münster einen Vortrag des Vaters der ländlichen Genossenschaften, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, über seine Idee von wirtschaftlichen Selbsthilfevereinen. Danach war für ihn klar: So etwas muss auch in Emsbüren geschaffen werden! Hier sprach jemand aus, was er selber schon lange ähnlich empfunden hatte.

Daher hatte Moormann-Schnelling zehn Jahre zuvor schon mit anderen weitsichtigen Bauern den landwirtschaftlichen Verein Emsbüren gegründet.

Seine durch den gezielten Einsatz von künstlichem Dünger enorm gesteigerten Fruchterträge auf dem Acker, den Wiesen und Weiden demonstrierten den interessierten Berufskollegen den Vorteil der modernen Methoden. Noch 60 Jahre nach seinem Tode gehörte der Hof Schnelling zu den besten Zuchtställen in ganz Nordwestdeutschland mit entsprechenden Auszeichnungen.

Nun sprach dieser Lehrer und Bauer auf den Sitzungen des landwirtschaftlichen Vereins deutlich aus, wo den Landwirten und auch den Heuerleuten in dieser Zeit des enormen Wandels der Schuh drückte. Wenn die Landwirte allerdings die neuen Entwicklungen mitmachen wollten, dann benötigten sie dafür Geld. Neben der Landwirtschaft brauchten auch das aufblühende Handwerk und der Handel dringend Kredite für ihr Wachstum.

Bei Hermann Schnelling fielen Raiffeisens Ideen – wie die von der Einrichtung einer örtlichen genossenschaftlich organisierten Spar- und Darlehenskasse – auf fruchtbaren Boden. Schnelling gehörte dem neunköpfigen Verwaltungsrat der 1884 gegründeten Bank an. Damit ist die Spar- und Darlehenskasse Emsbüren – soweit dies nachzuverfolgen ist – die älteste Genossenschaftsbank im Emsland. Wenn man mündlichen Überlieferungen glauben darf, warben die Vorstandsmitglieder der Emsbürener Genossenschaftsbank gelegentlich in anderen Dörfern mit ihren positiven Erfahrungen. Noch 1884 folgte eine weitere Genossenschaftsbank in Haren.

So kann also der Sohn eines Heuerlings als ein Pionier des landwirtschaftlichen Aufbruchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowohl im Bereich der Tier- und Pflanzenzucht als auch im Bankenwesen der näheren Region gelten. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Emsbürener Spar- und Darlehnskasse die bedeutendste und erfolgreichste im gesamten Emsland. Als weitere Pioniere des Genossenschaftswesens des Emslandes sind vornehmlich die Bauern August Degen aus Plankorth, Theodor Pennemann aus Brual und Hermann Gröninger aus Lindloh zu nennen, die weit über ihre Dörfer hinaus wirkten.Schnelling 2

Zum Foto: Hermann Schnelling – Moormann (mittlere Reihe rechts) im Kreis von Lehrerkollegen und Bauern aus Mehringen

Das Foto befindet sich Besitz von U. Berning in Lingen

Ein Heuerlingssohn als Pionier

Mein Urgroßvater mütterlicherseits: Heuerlingssohn – Lehrer – Hofbesitzer und mehr:

Gründervater des Genossenschaftswesens im südlichen Emsland

Hermann Schnelling, geb. MoormannAchnelling

Dieser interessante Mann wurde 1836 als Sohn eines Heuerlingsehepaares in Vinnen im Emsland geboren. Mit 22 Jahren übernahm er im Jahre 1858 in der Bauerschaft Bernte fünf Kilometer nördlich von Emsbüren  die Lehrerstelle. Dort freundete er sich mit dem Bauern Schnelling an. Als dieser 1872 starb, heiratete der Lehrer die Witwe Catharina, mit der er gemeinsam den großen Hof führte.

Sein Nachruf im Lingener Volksboten vom 10. Mai 1900 stellt ihn näher vor: Ein Heuerlingssohn als Pionier weiterlesen

Was Betten verraten

 Die Betten der Menschen geben besonderen Aufschluss zu ihren jeweiligen Lebensformen!

                           

Die Schlafbutze – eine Art Wandbett –   war im Heuerlingsgebiet weit verbreitet.

Sie gab etwas Schutz gegen eisige Kälte im Winter.Butze

Häufig schliefen dort mehrere Personen der Familie gemeinsam und sie wärmten sich so gegenseitig.

Der Soldat August Schauman ist bei  Bauern einquartiert worden.

Als Städter hat er es schwer, sich auf dem Lande einzubinden. Er berichtet uns in: August Ludolph Friedrich Schaumann, Kreutz- und Querzüge. Leipzig, 1922

Eine dunkle, feuchte und niedrige Kammer mit einem Fußboden von Lehm, Fenster, denen beständig einige Scheiben fehlten, die im Winter mit einer alten Hose zugestopft werden, stellte unser Schlafgemach dar. Ein alter Milchnapf diente als Nachttopf, das Bett, worin Gott weiß wie viele Generationen geboren und gestorben waren, hatte Unterbetten, worin große Klumpen zusammengebackener Federn die Einquartierten drückten und Überbetten, schwer wie Blei. Dafür war dann gewöhnlich eine alte Großmutter leidenschaftlich darauf versessen, im Sommer die Kopfkissen und Federbetten von außen mit einem Kleister von Roggenbrei und mit einer Bürste zu bestreichen, um, wie sie sagte, zu verhüten, dass die Federn hindurch drängen. Es ist unbeschreiblich, welche eine Qual es ist, in einem solchen erst neuerdings gekleisterten Bett zu schlafen.

In diesen Betten gab es nun eine Unzahl Läuse, manchmal auch Wanzen und Scharben sowie im Fußboden und in den Lehmwänden ganze Kolonien von Ratten und Mäusen, die einem nachts über Gesicht und Hände liefen

Der Text und die nachfolgenden Fotos stammen aus dem Kreismuseum Bersenbrück:

Bettstroh

BSB 2

BSB 3

Was Betten verraten

Die Betten der Menschen geben besonderen Aufschluss zu ihren jeweiligen Lebensformen!

Die Schlafbutze – eine Art Wandbett –   war im Heuerlingsgebiet weit verbreitet.

Sie gab etwas Schutz gegen eisige Kälte im Winter.Butze

Häufig schliefen dort mehrere Personen der Familie gemeinsam und sie wärmten sich so gegenseitig.

 

Der Soldat August Schauman ist bei  Bauern einquartiert worden.

Als Städter hat er es schwer, sich auf dem Lande einzubinden. Er berichtet in:

 Schaumann,August Ludolph Friedrich:Kreutz- und Querzüge, Leipzig 1922. Was Betten verraten weiterlesen

Ludwig Zellhuber

lebt in  84558 Tyrlaching, Landkreis Altötting

Schwerpunkte:2 Gewährsleute im deutschsprachigen Raum
– unehelicher Sohn einer Bauernmagd
– schulische Erfahrungen aus dieser gesellschaftlichen Situation heraus
– Beschreibung damaliger dörflicher Strukturen
– Jahreszeitliche Abläufe auf den Bauernhöfen
– Einfluss der aufkommenden Industrialisierung im ländlichen Bereich: SKW
Trostberg

Helmut Meisl

Meintl wohnt in 84518 Garching an der Alz, Landkreis Altötting

Schwerpunkte:

– umfangreiches Fotoarchiv

– Fragen zum Anerbenrecht

– Beschreibungen zu Hofgrößen und Bodenqualitäten der Region

– Industriealisierung nach dem 1.Weltkrieg im Bereich der Karbidherstellung

– Positive Auswirkungen daraus für die abgehenden Bauernkinder

– Status der unverheirateten „Onkel und Tanten“ auf einem Hof

August Knöferl

lebt in 86633 Neuburg an der Donau, Kreis Neuburg-Schrobenhausen

Knöfr

Seine Schwerpunkte:

  • Kolonisation Donaumoos
  • Familiengeschichte mit 16 Geschwistern
  • Gesellschaftliche Verhältnisse zwischen Landbesitzern und Landlosen
  • Kinderarbeit in den 30er und 40er Jahren
  • Beruflicher Aufstieg über Schreinerlehre zum verantwortlichen Museumsrestaurator im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt

August Knöferl entstammt einer unterbäuerlichen Familiensituation.

 

 

Uneheliche Geburten

                                                                  Das Problem der unehelichen Geburten

                                               insbesondere in der Schicht der besitzlosen Landbevölkerun

                          In diesem Buch:

 Christoph Reinders – Düselder,

Ländliche Bevölkerung vor der Industrialisierung, Geburt Heirat und Tod in ein Steinfeld, Damme und Neunkirchen.

1650-1850. Cloppenburg 1995

finden sich auf Seite 102 auch drei Vorfälle dieser Art im Heuerlingsgebiet!

Fall 1

In der Nacht vom zehnten auf den 11. Juli des Jahres 1816 fuhr die Hebamme Elisabeth S. Reige von Fladderlohausen erschrocken aus dem Schlaf, als gegen 1 Uhr „sehr stark an die Tür geklopft“ wurde. „Als sie nun hinausgegangen, habe sie ein Kind schreien gehört und (…) es gefunden. Selbiges wäre (…) nicht über 3 Stunden geboren gewesen.“ Am nächsten Morgen brachten sie es zum Pfarrhaus, „worauf (…) das Kind getauft und ihm der Name beigelegt: Bernd Felix.“

           Fall 2

Ein gleiches Erlebnis hatten die Bewohner einer Leibzucht in Handrup ein Vierteljahr vorher, am 27. März. Sie fanden morgens gegen 4 Uhr einen Findling, auch, nachdem heftig an die Tür geklopft worden war.

                                                                                                             Fall 3

Und am 17. März 1828 vermerkte Pastor Arnold Josef Gieseke im Geburts – und Taufregister des Kirchspiels Neunkirchen, daß „des Morgens die in Leibzucht wohnende Catharina Elisabeth Uphaus (…) mit einem Kinder zu mir (kam), und zeigte an, daß, wie sie des Morgens die Thüre geöffnet hätte, dieses Kind weinend vor derselben auf einem Haufen Flachs gelegen hätte, mit einem Zettel des Inhalts: dieses Kind wäre in der Noth zwar getauft, der Finder würde aber ersucht, solches nach der katholischen Kirche zur Taufe zu bringen. Ich habe es getauft.“