Der Regisseur Hans-Erich Viet stammt aus dem Rheiderland. Er beginnt seinen Film Schnaps im Wasserkessel mit Amateuraufnahmen aus den 50e Jahre in Ostfriesland.
Hier zunächst eine Zusammenfassung (alle nachfolgenden Videos: You Tube)
Der Regisseur Hans-Erich Viet stammt aus dem Rheiderland. Er beginnt seinen Film Schnaps im Wasserkessel mit Amateuraufnahmen aus den 50e Jahre in Ostfriesland.
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Der ehrenamtliche Archivar Timo Friedhoff aus Wagenfeld hat sich auch intensiv mit dem Leben und Wirtschaften der Heuerleute beschäftigt.
Durch diese Veröffentlichung hat er eine bisher einmalige Fallstudie für eine Gemeinde im Verbreitungsgebiet des Heuerlingswesens vorgelegt:
Hier nun Teil 1 eines Video – Interviews mit Timo Friedhoff:
Essen und Trinken – die Ernährung auf dem Lande in alter Zeit
Vorstellung der Schreiberin:
Mein Name ist Emmy Wilmink. Seit mehreren Jahren bin ich im Ruhestand. Früher war ich als Ehe u. Familienberaterin und als Psychotherapeutin tätig. Als Liebhaberin und Schreiberin der plattdeutschen Sprache, mit der ich aufgewachsen bin, zog es mich als Kind immer wieder nach Georgsdorf, auf den kleinen Bauernhof meiner Großmutter. Mein Interesse an der Plattdeutschen Sprache, der Natur, den Menschen und den Tieren wurde vor allem von meiner Großmutter geweckt. Diese Vorlieben begeistern und beschäftigen mich heute noch. Als Schulkind fieberte ich dem Zeitpunkt meiner Ferien entgegen, um bei meiner Oma sein zu können. Ich fühle mich noch heute, sechzig Jahre nach ihrem Tod, sehr mit ihr verbunden und schöpfe aus ihrem Lebensweg, den sie unter harten, oft quälenden Bedingungen nach dem frühen Tod ihres Mannes tapfer und in liebevoller Fürsorge für ihre Kinder gegangen ist. Dass sie sich mir anvertraute, hat mich stets berührt, mein Leben geprägt und es reicher gemacht.
Kurze Hintergrundinformation:
Als König Georg etwa 1740 die Moorbesiedelung in der Grafschaft Bentheim plante und bekannt gab, hielt die Regierung großflächige Parzellenbereiche zur Ansiedlung bereit. Diese erworbenen Parzellen wurden Kolonate genannt. Deshalb bezeichnete man die Inhaber der erworbenen Parzellen mit dem Begriff Kolone. Bewerber waren größtenteils Bauernsöhne aus der Grafschaft Bentheim und der näheren Umgebung.
Die Regierung gewährte den Siedlern und Kolonen das Recht, die Größe ihrer gewünschten Parzellen selbst zu wählen. Sie unterzeichneten einen so genannten kostenlosen Pachtvertrag. Der Grund und Boden durfte nicht weiter veräußert werden. Für alles andere, wie zum Beispiel für die Errichtung eines Hauses, war der Siedler oder Kolon selbst zuständig. Bald entstanden im Moor unter unvorstellbaren Bedingungen die ersten Katen. Im Moor baulich etwas auf die Beine zu stellen, war zu der Zeit äußerst schwierig. Mit schwerem Gerät, wenn es zur Verfügung gestanden hätte, wäre es wegen des Gewichts und der Senkungsgefahr nicht möglich gewesen, Häuser zu errichten.
Erst später, als die Trockenlegung des Moores fortgeschritten war, gestalteten sich die Bedingungen für das Bauen der Häuser günstiger. Allein Pfähle im Moor zu befestigen war ein schwieriges Unterfangen. Es ist heute kaum nachvollziehbar, mit welchen Bedingungen die Anfänger im Moor zu kämpfen hatten.
Lebensumstände meiner Großmutter.
Meine Oma Johanna wurde im September 1876 in Emlichheim, in der nordwestlichen Grafschaft Bentheim geboren.
Sie verstarb 1960 im Alter von 84 Jahren in Georgsdorf.
Ihr Temperament und ihr Durchsetzungsvermögen war die Triebfeder für ein Leben, das sie trotz sehr vieler Schicksalsschläge und Armut bewältigt hat. Sie agierte besonnen und war ein liebevoller Mensch. Einundzwanzigjährig heiratete sie ihren Ehemann Jan in Georgsdorf. Sie war von zarter Statur und maß kaum 160 cm. Bis zu ihrem Lebensende trug sie Grafschafter Tracht. Von ihrer Kindheit ist wenig bekannt. Wohl aber sprach sie gelegentlich von einer unbeschwerten Zeit in Emlichheim. Mit großer Begeisterung berichtete sie vom Schlittschuhlaufen im Winter, auf dem zugefrorenen Coevorden-Piccardie-Kanal.
Von ihrer Tätigkeit in einer Nähstube oder Schneiderei und von freundlichen Begegnungen mit gleichaltrigen Mädchen und jungen Leuten war die Rede. Ob sie dort eine Ausbildung zur Schneiderin gemacht hat, ist nicht bekannt. Sie sorgte aber später durch ihre Näharbeiten für ein kleines Einkommen ihrer Familie in Georgsdorf.
Es war spürbar, dass sie möglicherweise in ihrem Elternhaus diese extreme Begrenzungen, wie sie sie in Georgsdorf vorfand, so nicht kannte.
Ihre neue Familie in Georgsdorf lebte in einer alten, abgewohnten Kate als Siedler im Moor. Vermutlich wurde diese Kate etwa 1784 oder später von Vorfahren ihres Ehemannes im Laufe der Moorbesiedelung errichtet. Diese fand in Georgsdorf, laut einer Aufzeichnung des Bentheimer Heimatkalenders aus dem Jahr 1941, ab 1725 statt und wurde ständig fortgesetzt. Es ist nicht bekannt, ob ihr Ehemann allein oder mit seinen Eltern diese Behausung bewohnte. Man kann davon ausgehen, dass bis zur Hochzeit des Paares bauliche Veränderungen stattgefunden haben.
Ein altes Foto deutet darauf hin.
Obwohl diese bauliche Maßnahme gewisse Verbesserungen erreichte, hat meine Oma das Resultat wohl nicht nur positiv beurteilt.
Sie äußerte sich dazu später mit dem kurzen Satz: „ Dat was alle een Flickwark.“
Die Trauung
Die Trauung der Eheleute Jan, geboren im Oktober 1873 und Johanna, geboren im September 1876 fand im März 1898 in der Evangelisch-Reformierten Kirche in Georgsdorf statt. Dem Brautpaar wurde aus der Hand des Pfarrers ein Exemplar der Bibel und einer Familienchronik mit der Aufforderung überreicht, mit beiden aktiv umzugehen: sowohl die Bibel täglich zu lesen als auch die Familienchronik gewissenhaft zu schreiben. Meiner fleißig schreibenden Oma verdanke ich Informationen, die mir wichtig und sehr wertvoll sind.
In der Familienchronik ist in der präzisen Sütterlinschrift meiner Großmutter folgendes zu lesen:
Der vorgegebene Predigt-Text der Trauung ist Psalm 128 und lautet: Gesegneter Hausstand: 1 Wohl dem, der den Herrn fürchtet und auf seinen Wegen geht. 2 Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit; wohl dir, du hast es gut. 3 Deine Frau wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock drinnen in deinem Hause, deine Kinder wie junge Obstbäume um deinen Tisch her.4 Siehe, so wird gesegnet der Mann, der den Herrn fürchtet. 5 Der Herr wird dich segnen aus Zion, dass du siehst das Glück Jerusalems dein Leben lang 6 und siehst Kinder deiner Kinder. Friede sei über Israel !
Wie mag Oma, die zu dem Zeitpunkt einundzwanzig Jahre alt war, diesen Text aufgenommen haben? Fühlte sie sich verstanden, ermutigt? Gelassen und gläubig? Verliebt und im Aufbruch?
Von ihr war in der Chronik dazu kein Kommentar zu lesen.
Meine Großmutter, die bittere Erfahrungen hinnehmen musste, selbst aber nicht bitter wurde, legte, wie sie es formulierte, alles in Gottes Hand. Ob sie aber diesen Text akzeptieren konnte, in dem ausschließlich ihr Ehemann angesprochen wurde, blieb offen. Erst in ihren späten Lebensjahren und nach vielen Lebenserfahrungen äußerte sie in unseren Gesprächen deutlich ihre Überzeugung, dass Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten haben sollten. Im Alter, als ihre körperliche Kraft nachließ, war sie eine eifrige Zeitungsleserin. Täglich befasste sie sich mit dem, was die Zeitung zu bieten hatte. Ihre Interessensgebiete waren Politik, Sport und die lokalen Ereignisse.
Die Geburt der Kinder
In der Familienchronik führte meine Großmutter unter dem vorgegebenen Bibeltext die Geburt ihrer elf Kinder und ihres Enkelsohnes und Pflegekindes auf. Der Text lautet : „Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn und Leibesfrucht ist ein Geschenk“
Das erste Kind, ein Mädchen, Janna wurde 1899 geboren.
Eine große Familie! Wie ging es weiter?
Die große Familie und die Landwirtschaft hat sowohl meiner Großmutter, als auch meinem Großvater sehr viel Kraft und Arbeit abverlangt. Von dieser Zeit hat sie nur selten berichtet. Und wenn sie es tat, dann fast immer unter Kopfschütteln mit dem Kommentar: „Es war eine schwere, ganz schwere Zeit.“ Damit meinte sie offensichtlich nicht nur die enorm viele Arbeit, sondern vor allem den Verlust ihres Mannes und ihrer verstorbenen KinderEs sei hier an den Zeitpunkt der Hochzeit erinnert, sie fand 1898 statt.
Diese Aufzählungen erschüttern mich noch heute!
Wie sollte das Leben jetzt nur weitergehen? Konnte es überhaupt weitergehen? Oma sagte: „Es musste weitergehen!“ Meine Großmutter hat Unsägliches leisten müssen.
Aber – sie war nicht untätig! Dennoch beklagte sie oft die Anfangsbedingungen und hatte große Mühe, diese zu akzeptieren. Es war feucht und im Winter bitter kalt. Der Fußboden bestand zum Beispiel aus Ziegelsteinen, die direkt, ohne Isolierung auf dem Moorboden lagen. Das Bettzeug in den Butzen (Schrankbetten) war im Sommer klamm, im Winter gefror der Atem auf der Bettdecke. Um die Kälte in den Butzen zu minimieren, waren sie von der Küche aus zu öffnen und blieben in der Nacht zum größten Teil offen, um die mögliche, wenn auch abnehmende Küchenwärme zu nutzen. Die Rückseiten der Butzen befanden sich an der Bretterrückwand des Pferdestalles. Auf diese Weise erhoffte man sich zumindest ein wenig mehr Wärme, als an der Außensteinwand, auf der im Winter das Eis glitzerte.
Sehr gut ist mir in Erinnerung geblieben, dass meine Mutter oft von einem besonderen Schlafgefühl der Kinder in den Butzen berichtete. Sie sprach davon, dass diese zwei sogenannten Kinderbutzen völlig überbelegt waren, was innerhalb der Geschwisterreihe von elf Kindern häufig zu kleinen Streitereien führte. Aber auch sprach sie von einem anheimelnden Gefühl, wenn die älteste Schwester abends vor dem Einschlafen kleine Geschichten erzählte. Manchmal wieherte das Pferd in der Nacht oder schlug mit der Hufe gegen die Wand. Ob meine Großeltern auch in einer Butze schliefen, ist nicht bekannt.
Die Feuerstelle befand sich in der großen Küche, dem Mittelpunkt des Hauses. Sie diente als Kochstelle und wurde außerdem im Winter als Wärmequelle genutzt. Was allerdings wegen der Ritzen und offenen Fugen, die sich in den Wänden befanden, nur sehr bedingt gelang. In der kalten Jahreszeit Wäsche zu trocknen, war ein schwieriges Unterfangen, da das Feuer abends abgedeckt wurde, um die Brandgefahr zu minimieren.
Nicht selten brannten Moorkaten lichterloh, was für die betroffenen Siedler das „Aus“ bedeuten konnte, da ihnen dadurch ihre ohnehin karge Existenz genommen wurde. An Versicherungen und sonstigen Absicherungen war bei der Anzahl der Kinder nicht zu denken.Es war mehr als schwierig, die Familie zu ernähren.
Zu dem Hof meiner Großeltern gehörten zwei bis drei Kühe, ein paar Schafe, etwa drei Schweine und, wie Oma sagte: „Un en rappelmager Perd.“
Die hygienischen Bedingungen waren zu Anfang sehr dürftig, um nicht zu sagen katastrophal. Dem Haushalt stand ausschließlich braunes, stark riechendes Moorwasser aus dem Brunnen zur Verfügung. Die Wäsche wurde deshalb in einer Wanne mit der Schubkarre zum Kanal geschoben, dort gespült und gebleicht, um sie einigermaßen geruchfrei und weiß zu halten.
Nachdem das Rieddach des Hauses entfernt worden war und mit Dachziegeln gedeckt wurde, sorgte eine Dachrinne für das Abfließen des Regenwassers in eine große Tonne. „Dat wass`n groat Gewinn“ sagte Oma, „nou kunnen wij off un to een Köppien Tee drijnken.
Geheizt wurde mit Torf, der von den Männern wegen der Schwere der Arbeit gestochen werden musste. Frauen waren für die Trocknung des Torfes zuständig.
In mehreren Arbeitsgängen schichteten sie die wassergetränkten und von daher sehr gewichtigen Torfkolben in Rippen um, damit der Wind sie trocknen konnte. Es dauerte oft mehr als einen ganzen Sommer bis zur Trocknung. Vor allem wurde der Torf verkauft und trug im Wesentlichen zum Lebensunterhalt bei. Oft blieben die mit Torf gepackten Ackerwagen in dem moorigen, nassen Untergrund stecken. Das bedeutete für Siedler und Kolone doppelte Arbeit für sehr wenig Geld.
Unvorstellbar, dass meine Großmutter nach dem Tod ihres Mannes und ihrer ältesten, neunzehnjährigen Tochter die aufgezählten Arbeiten nicht nur im Haushalt, sondern auch in der Landwirtschaft und für das Vieh leisten musste. Die schwere Arbeit des Torfstechens, der einzigen kleinen, möglichen Geldquelle für die Familie, musste über Jahre eingestellt werden, da der älteste achtjährige Sohn diese harte Arbeit noch nicht leisten konnte. Hilfe von Außen war kaum zu erwarten. Eventuell vorhandene Nachbarn waren ähnlichen Bedingungen ausgesetzt, aber mit der Extremsituation meiner Oma nicht vergleichbar.
Sie agierte als Bäuerin und Schneiderin, veranlasste bauliche Veränderungen an ihrem Haus. Flechtwände wurden entfernt und stabile Mauern aufgebaut. Das löcherige Rieddach wurde durch Dachziegel ersetzt. Anstatt der offenen Feuerstelle kam ein Herd ins Haus.
Ein Schweinestall für etwa zwölf Schweine wurde gebaut.
Dies alles leistete sie über Jahrzehnte unter der treuen Mithilfe ihrer Kinder. Es ist tröstlich zu wissen, dass sie von ihren Kindern geliebt und verehrt wurde.
In einem offensichtlich zufriedenen und geistig aktiven Alter wurde sie durch einen gnädigen Tod heimgeholt.
Emmy Wilmink
Fotos: Emmy Wilmink
Zu den Bewohnern dieses Heuerhauses fand Dr. Stefan Remme heraus:
August Schmidt wurde 1878 in Handrup als Sohn des Clemens Schmidt und seiner Frau Anna Maria geboren. Vermutlich ist er in der Zeit seiner Eheschließung mit Anna Mersch um 1900 nach Dohren gekommen. Ob seine Eltern mit ihm nach Dohren gekommen sind, ist ungewiss. Jedenfalls hat diese Heuerstelle 1874 und 1895 schon existiert. Sie ist vermutlich identisch mit einer der beiden ältesten Heuerstellen des Bauern Többen, die im Status Animarum von 1749 aufgeführt sind. Wer vor der Familie Schmidt hier ansässig war, ist unklar. Aus der Ehe Schmidt / Mersch gingen fünf Kinder hervor. Die älteste Tochter, Maria, heiratete Gerhard Dulle und übernahm mit ihm die Heuerstelle. Gerhard Dulle war Bürgermeister der Gemeinde Groß Dohren vom 2. November 1947 bis zum 5. Dezember 1952. Von den fünf Kindern aus der Ehe Dulle / Schmidt zogen bis auf einen Sohn alle aus Dohren fort. Aber auch der Sohn Gerhard, verließ das Haus 1958 und baute in der Waldstraße für sich und seine Familie. Zurück blieben die Mutter und zwei Söhne. Nach ihrem Wegzug 1963 war das Haus einige Zeit unbewohnt, bis eine Familie Hartwig einzog. Von etwa 1966 bis 1976 wohnte Hans Janke in dem (ehemaligen) Heuerhaus. Bis 1979 lebte hier die Familie Radheischer (oder Radheisen), bis sie nach Langen wegzog. 1979 verkaufte Bauer Többen das Haus an die Familie Laake, die es in der Folgezeit aufwändig renovierte. Heute wohnt der Sohn hier.
Fotos: Archiv Martin Skibicki
Rock un Pop up Platt!
Dat giwwt doch gar nich? Doch in‘t rock‘n‘popmuseum Gronau!
mit Otto Lohle ut un in Gronau!
So vertellt he: Dat giwwt doch gar nich? Doch in‘t rock‘n‘popmuseum Gronau!
Man mag dat boll gar nich glöwen, aower nao de vullstännige Digitalisierung van dat Museum un de neie Eröffnung in November 2018 döör de Gronauer Jung Udo Lindenberg, kans Du doar nich bloaß ne spannende Zeitreise döör de Geschichte vanne Rock- un Popmusik beliäwen…
… so beginnt der Beitrag von Otto Lohle im entstehenden Buch Watt, de kann Platt!
Hier erfährt man mehr über Otto alias Tönne Speckmann:
https://www.rock-popmuseum.de/specials-d/popp-up-platt-d.html
https://www.youtube.com/watch?v=npJCc6S_uck
Im Gedenken an Pöttker Hinnerk – einen besonderen Kenner der Landwirtschaft in den letzten 65 Jahren!
So begrüßte er seine Gäste an seiner Haustüre – allzeit gut gelaunt und durchweg ein „Dönken“ parat…
… und er kannte seine Geschäftspartner*innen in der Landwirtschaft, im Viehhandel bundesweit und in den benachbarten Niederlanden sehr genau. Dabei hatte er die besondere Gabe, sowohl in seinen umfangreichen Geschäftsbereichen als auch im übrigen Leben die jeweilige Lage sofort nüchtern und sachlich „taxieren“ zu können. Wohl auch dadurch strahlte er stets eine sympathische Gelassenheit aus und hatte beruflichen Erfolg dabei.
Auf seine Kurzerzählungen konnte man immer gespannt sein: Prägnant und zumeist sogar mit philosophischen Hintergrund: Datt mok di noch effkes vertelln! – hier vom August 2020:
Bei meinem letzten Friseurbesuch traf ich einen jungen Syrer, der offenbar in den Asylunterkünften der Gemeinde wohnte. Wir konnten uns einigermaßen verständigen. Als ich dann vor ihm mein Haar geschnitten bekam, bezahlte ich an der Kasse auch seinen Haarschnitt mit – der junge Mann sollte das nicht bemerken. Wenige Tage später begegneten wir uns zufällig im Dorf. Er bedankte sich in seiner südländischen Art und sagte dann: „Ich habe kaum Geld, aber ich werde für dich zu Allah beten!“
Pöttker kommentierte das am Abend in seiner Familie so: Wer hat im Dorf ein solches Privileg – ich kann in christlicher Art um unser Wohlergehen beten und nun betet dieser freundliche junge Mann für mich zu Allah!
Pöttker Heine – nur wenige nannten ihn bei seinem „richtigen“ Namen Heinrich Leveling – kannte sich auch ganz besonders im zwischenmenschlichen Verhältnis der Bauern und Heuerleute aus:
Zusammen mit Pöttker entstand ein erfolgreiches Buch, darauf war er sehr stolz!
Pöttker hielt sich bis zu seiner schweren Erkrankung im Herbst 2020 durch tägliche Radtouren fit. Regelmäßig besuchte er uns etwa alle vier Wochen in unserem Heuerhaus in Gleesen.
Im letzten Sommer entstand dabei nachfolgendes Video up platt:
Immer wieder kommentierte er in seiner vorherrschend sachlich – analytischen Art: Zunächst ist da große Betroffenheit im Dorf bei einem Todesfall – nach dem Sechswochenseelenamt wird die verstorbene Person sehr schnell in Vergessenheit geraten!
Bei Pöttker Hinnerk wird das nicht so sein!
Fotos und Video: Archiv Robben
Mit Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte auch in Deutschland eine enorme Industrialisierung ein. Viele abgehende – nicht erbende – Bauernkinder zogen in die Städte.
Zeitgleich verließen auch etliche jüdische Viehhändler die dörflichen Kleinräume und siedelten sich an verkehrsgünstigen Bahnhöfen mit landwirtschaftlichem Umland an. Andere Händler (nicht selten Familienmitglieder) ließen sich in größeren Städten mit Großschlachthöfen nieder.
Somit war eine effektive und äußerst lukrative Infrastruktur im vertrauten Kreis aufgebaut.
Das exzellente Fachwissen, das von klein an in den jüdischen Familien mit Stringenz weitervermittelt werden konnte, wurde bei nahezu allen Bauern erkannt und auch anerkannt, denn dadurch erzielten auch sie als Produzenten höhere Preise im Vergleich zu den möglichen Erlösen mit den Kleinhändlern vor Ort.
Hier ein Bericht aus Niederbayern:
Hier berichten die Brüder Josef und Antonius Schumacher aus Hollenstede in der Nähe von Fürstenau über den Milchtransport durch ihren Familienbetrieb. So konnten sie ein Zusatzeinkommen zu ihrer Heuerstelle erwirtschaften. Außerdem lohnte sich die Anschaffung eines Pferdes, das dann auch im kleinen landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werden konnte. Darauf mussten die anderen Heuerleute aus Kostengründen verzichten.
Josef Schumacher mit Kurzvita: Geboren 1938, 6 Geschwister, Volksschule Hollenstede, Landwirt, Lkw-,Busfahrer, verh. 4 Kinder, 6 Enkel, 1968 Gemeinderat Hollenstede 1972-1996 Stadt- und Samtgemeinderat Fürstenau, Neuenstadt 27, 49584 Fürstenau - Hollenstede
Antonius Schumacher mit Kurzvita: Geboren 1949, 6 Geschwister, Volksschule Hollenstede, Kaufmännische Lehre, Einzelhandelskaufmann, verh. 3 Kinder, 4 Enkel, Vorsitzender vom Heimatverein Bramsche, Otto-Hahn-Str. 6, 49811 Lingen
Vorwort
Auch mein Opa fuhr schon Milchwagen,die Milch wurde zur Molkerei Hummert in Schwagstorf geliefert.
Die Route führte von Fürstenau nach Schwagstorf. Mit dieser Route wurden 30 Lieferanten bedient. Sie lieferten täglich die Milch in 10, 15 oder 20 l Milchkannen. Jede Kanne war mit der Nummer des Lieferanten gekennzeichnet.
Mein Opa sowie mein Vater und auch später mein großer Bruder Josef fuhren diese Route zur Molkerei Hummert in Schwagstorf.
Bei jedem Wind und Wetter musste gefahren werden. Da man morgens der Erste auf dem Weg war, waren manchmal ein umgewehter Baum oder abgebrochene Äste zu beseitigen.
Zu unseren Milchwagenpferden ist zu sagen, sie mussten eine besondere Ausbildung haben:
Die Pferde waren mit Hufeisen beschlagen, welche Gewindeaufnahmen für Schraubstollen hatten – ähnlich wie bei Fußballschuhen mit Schraubstollen. Bei großen Schneemengen oder Schneeverwehungen fuhren wir mit einem Pferdeschlitten die Milch – Straßenräumdienste gab es nicht.
Die Pferde waren damals ein hohes Gut und waren deshalb versichert gegen Leistungsausfall und Tod.
Als Milchwagen dienten eisenbereifte Ackerwagen mit niedrigen Seitenbrettern.
Bei großer Hitze und Trockenheit bestand die Gefahr, dass sich die Eisenbänder von den Rädern lösten. Deshalb wurden sie nachmittags mit nassen Säcken abgedeckt.
Die Beleuchtung des Fuhrwerkes war eine große Petroleumlampe vorne und eine kleine Lampe hinten.
Nach dem Krieg wurde ein gummibereifter Flachwagen von der Molkerei zur Verfügung gestellt. Später ist dieser Wagen von uns übernommen worden.
Etwa 1960 wurden die Pferde von Zugmaschinen ersetzt. Die Pferdedeichsel des Milchwagens wurde um die Hälfte gekürzt, eine Kupplungsöse vorne angeschraubt, und schon konnte der Milchwagen hinter den Traktor gespannt werden..
Die Milchliefermenge an die Molkerei steigerte sich von Jahr zu Jahr bei gleichzeitiger Abnahme der Milchlieferanten.
Ein Milchtankwagen übernahm ab 1964 die Arbeit des Milchabholens. Diesen fuhr bis 1969 mein großer Bruder Josef.
Mit einem Schlauch wurde die Milch zunächst noch aus den einzelnen Milchkannen gesaugt. Großvolumige Behälter ersetzten nach kurzer Zeit die Milchkannen.
Nach und nach wurde die Abfuhr von täglich auf alle zwei Tage umgestellt und die Milch direkt vom Hof aus den fahrbaren, oder auch in den Milchkammern aufgestellten Tanks, abgeholt.
Nur noch ein kleiner Teil der gesammelten Milch wurde durch die Molkerei in Schwagstorf verwertet.
Die größere Menge wurde ins Hochwald-Milchwerk in Obersteinbeck gefahren.
Hier wurde Kondensmilch und Magermilchpulver hergestellt.
Die Molkerei Hummert (siehe Bild) und auch das Hochwald-Milchwerk in Obersteinbeck haben inzwischen den Betrieb eingestellt.
Von den 30 Milchlieferanten der 50er Jahre ist zurzeit nur noch einer aktiv tätig.
Die täglich anfallende Milchmenge dieses einen Betriebes ist aber größer als die der 30 Betriebe vor 80 Jahren.
Vor der ersten Milchkanne
Für den Milchwagenfahrer begann der Morgen um 5:00 Uhr mit Pferde füttern, frühstücken und Wagen anspannen.
Bei der ersten Sammelstelle musste der Bauer bis 6:00 Uhr seine vollen Milchkannen am Weg/Straße zur Abholung bereitgestellt haben.
Milch sammeln – Weg zur Molkerei
Nun wurde von Milchlieferant zu Milchlieferant die an die Straße gestellten vollen Kannen auf den Wagen geladen.
Die Pferde kannten ihren täglichen Weg und auch die Zuladestellen genau; bei wenig Kannen wurden sie nur langsamer, bei vielen Kannen hielten sie aus der Erfahrung heraus an.
In manchen Sommermonaten lieferten die Bauern wesentlich mehr Milch an, so das hinten am Milchwagen ein zusätzlicher Wagen angehängt werden mußte. Dann wurde es für die Pferde schwer.
War die letzte Milchkanne auf dem Wagen, wurde auf die Uhr geschaut. Die Pferde mußten schneller laufen oder der Milchwagen lag gut in der Zeit. Jeder Milchwagen hatte an der Rampe bei der Molkerei seine feste Zeit zum Abladen. Wer nicht pünktlich da war, mußte sich hinten anstellen.
Bei der Molkerei
Bei der Molkerei gab es einen exakt geregelten Ablauf. Bevor unser Milchwagenfahrer die Kannen auf die Rollenbahn der Molkereirampe stellen konnte, mußte er die Kannen vom vorherigen Wagen abladen, schön zusammengestellt nach Kannennummern.
An heißen und schwülen Sommertagen prüfte man die Milch schon in den Kannen auf dem Wagen ob die sauer war. Eine beanstandete Kanne erhielt einen roten Zettel mit der Aufschrift: „Milch war sauer, besser kühlen“ und blieb auf dem Wagen.
Einmal pro Woche wurde bei der Molkerei der vollgepackte Butterkasten mit auf den Milchwagen geladen. Je nach Bestellung verteilte der Milchwagenfahrer die Butterstücke beim Zurückbringen der Kannen. Meistens wurden die Butterstücke in den umgestülpten Deckel der Milchkannen gelegt.
Kannen zurück zu den Bauern
Bei der Molkerei fertig, ging es wieder zurück. Jetzt war es nicht mehr so eilig; es sei denn, die Getreide-Ernte rief. Der Milchwagen war nicht mehr so schwer, die Pferde hatten es leichter. Die Kannen wurden bei den Zuladestellen wieder zurückgestellt, ggf. wurde die Butter verteilt.
Zuhause angekommen wurden die Pferde versorgt und dann zum Fressen in die Hofwiese geführt. Das Zuggeschirr bei den Pferden wurde nicht extra abgenommen, da es ja nach der Mittagspause am Nachmittag in der Landwirtschaft weiterging.
Milchwagen – Kirchgang
Wie wichtig in der katholischen Bevölkerung der sonn- und feiertägliche Kirchgang war, besagt folgendes:
Als mein großer Bruder Josef in der Lage war, den Milchwagen von der Molkerei zurück bis zur ersten Abladestelle allein fahren konnte, nahm mein Vater sonntags und bei den jährlichen Hochfesten der katholischen Kirche seinen Sohn Josef und sein Fahrrad mit auf die Milchwagentour. Bei der Molkerei fertig fuhr mein Vater dann von der Molkerei mit dem Fahrrad zur Kindermesse in Schwagstorf. In der Zeit fuhr Josef den Milchwagen zur ersten Abladestelle, wo dann mein Vater, vom Kirchgang zurück, das Abladen übernahm.
Als Bruder Josef später den Milchwagen komplett alleine fahren konnte, wurde bei der Rückfahrt an einer Abladestelle, die am nächsten zur Hollensteder Kirche lag, Fahrertausch gemacht. Josef war dann schon in der Frühmesse gewesen, fuhr dann mit dem Fahrrad zu dieser Abladestelle und löste meinen Vater ab. Dieser fuhr dann mit diesem Fahrrad zum Hochamt. Hier konnte er dann auch als Kirchenvorstandsmitglied mit dem Klingelbeutel gehen und nach Kirchende zu seinem geliebten Frühschoppen.
Fotos: Archiv Schumacher
Die Dokumentation der Wohnsituation der Landlosen wird auch – allerdings sehr vereinzelt – in den beteiligten Fachwissenschaften als Desiderat beschrieben.
Ich möchte mich dabei auf diese Veröffentlichung beziehen:
https://www.lwl.org/voko-download/BilderNEU/422_012Glaentzer.pdf
Die Kernaussage: Fast durchweg wird in der bescheidenen Fachliteratur von den angestammten Bauerngehöften berichtet in ihren regionalen Ausprägungen.
Diese sind insbesondere von ihren Grundlegungen und Aufbauten (Fachwerken) in der Mehrheit deutlich robuster ausgebaut als die Behausungen der Pächter (z.B. Häusler, Heuerleute, Inleute, Insten und auch Landarbeiter). Diese Gebäude waren nicht selten nicht nur in ihrer Holzkonstruktion aus Abbrüchen mehr provisorisch angelegt und damit weniger haltbar.
Eben deshalb sind sie auch heute nur noch selten erhalten.
Aus: Gläntzer, Volker: Ländliches Wohnen vor der Industrialisierung. In: Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, herausgegeben von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen, Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Heft 12, Münster 1980, Seite 92
In den umfangreicheren zeitgenössischen Quellen, vor allem in den landwirtschaftlichen Beschreibungen, wurde eine soziale Differenzierung zwar im bevölkerungsstatistischen Teil recht genau durchgeführt, im ethnographischen Teil aber nur selten und dann sehr vereinfacht wieder berücksichtig. Infolge dieser unterschiedlichen Differenzierung lassen sich meist keine genaueren Korrelationen zwischen einer sozialen Schicht und der zugehörigen Hausform bilden. Häufig wurden einfach die Häuser des „Landmanns“ oder des „gemeinen Bauern“ beschrieben, eine freilich wenig aussagekräftige Einordnung. (…)
Aber auch wo genauer auf sozial bedingte Unterschiede im Wohnen hingewiesen wurde, wurde in der Regel nur die Hausform einer, und zwar der oberen der genannten Schichten ausführlicher beschrieben.
So wies Heineken zwar pauschal auf „kleine ärmliche Wohnungen, oft mehrere unter einem Dache, die selten mehr als ein kleines Zimmer und einen Stall enthalten, und Eigenthum des Bauern, auf dessen Grund und Boden sie stehen, sind“ und die die „kleinem Besitzer, Köther, Brinksitzer, Häuslinge genannt“ bewohnen, hin, beschrieb dann aber ausführlich nur die Häuser der „eigentlichen Bauern“ (1836/bei Bremen).
Nur selten bezog sich die Darstellung ausdrücklich auf die „Einrichtung und Bauart der gewöhnlichen Bauerhäuser“ und nicht auf die Häuser der „begüterten Bauern oder Meyer“ und setzte dann – allerdings ebenfalls pauschal – die Hausform der reicheren Bauern davon ab (1793/Grafschaft Ravensberg).
Noch seltener schließlich wurden die Wohnverhältnisse zweier Sozialgruppen, wie bei Mussäus 1837 die der Bauern und Kätner Mecklenburg-Schwerins, mit gleicher Ausführlichkeit beschrieben.