Vergleich Heuerlingswesen mit den Verhältnissen in der Eifel

Markus Dokter aus Bonn gelingt es, in wirklich gelungener Verdichtung die Kernelemente der regionaltypischen Realteilung in der Eifel in Vergleich zum Heuerlingswesen zu setzen:

Sehr geehrter Herr Robben!

Ich komme auf unser Telefonat von Februar zurück.
Ich habe mich mal in Nohn, dem Eifeldorf meiner Ahnen, bei alten Bewohnern erkundigt: Ein Heuerlingswesen ist dort, wie von mir vermutet, unbekannt. Das Realerbrecht und die Ungunst des Klimas wie der Böden haben wohl verhindert, dass sich große Höfe bilden konnten, die Verwandte und sonstige Mitbewohner in Abhängigkeit brachten. Aus meiner Kindheit in den 50er und 60er Jahren erinnere ich mich selbst, dass auch die zwei oder drei größeren Höfe immer noch so klein waren, dass sie von der Kernfamilie bewirtschaftet werden konnten. Zwar gab es angestellte Knechte und Mägde, meist Geschwister aus der Familie, die gewollt oder überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen ungewollt ledig geblieben waren, ihren Erbteil mit in den Hof eingebracht hatten und dadurch zu etwas komfortableren Wirtschaftsbedingungen beigetragen hatten. Sie hatten aber keine eigene Wirtschaft wie Heuerlinge. Es gab und gibt zwar unvorstellbar kleine Häuser, bei denen man sich nicht vorstellen kann, dass dort eine Familie und zumindest etwas Kleinvieh gelebt haben, aber selbst diese Familien waren entweder wirtschaftlich schlecht und recht selbstständig oder wohnten nur dort und wirtschafteten, bis auf randliche subsistente Kleinviehhaltung, mit auf dem Geschwisterhof. Ihre Angehörigen waren es natürlich in besonderem Maße, die im 19. und beginnenden 20. Jh. auswanderten. So habe ich auch Belege aus der eigenen Familie, und ich habe Unterlagen, dass zwei Familien aus Nohn in den USA zur Ehre der Namensgebung ihrer Siedlungsorte gekommen sind.

Ich denke, dass diese Situation auch für Sie von Interesse ist, denn es legt nahe, dass das Heuerlingswesen sich eher in Anerbengebieten entwickelt hat, die anfälliger für soziale Disparitäten waren, während man von Realerbgebieten sagen muss, dass sie die Armut gleichmäßiger verteilten.

Markus Dockter

Hintergrundinformationen dazu finden sich u. a. (Seite 8 und 9) in

https://www.landwirtschaftskammer.de/dueren/pdf/lw-eifel-daten.pdf

Datei_ Berndorf Eifel.jpg – Wikimedia Commons

Missernten und Hunger vertreiben auch im 19. Jahrhundert viele Menschen aus der Eifel. Wie wenig Ertrag die durch die Realteilung verkleinerten Bauernhöfe erwirtschaften konnten, ist in der Chronik „100 Jahre Landwirtschaftsschule und Beratungsstelle Zülpich und Euskirchen“ ausgeführt: „Die Butter wurde auf dem Rücken viele Stunden weit in die Städte getragen. Nur an Feiertagen gönnte sich der Bauer selbst Butter.“ Mit einem Flurbereinigungsgesetz aus dem Jahr 1885 wird eine zukunftsgerichtete Entwicklung der Landwirtschaft in der Eifel angeschoben. Denn als Folge der Realteilung war ein unhaltbarer Zustand erreicht. So bewirtschafteten am Ende des 19. Jahrhundert im Kreis Daun mehr als ein Drittel der Betriebe weniger als 2 ha, und ein weiteres Drittel 2–5 ha Fläche. Die Durchschnittsgröße einer Katasterparzelle im Kreise Daun betrug noch in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg weniger als 900 qm. Das entspricht einem etwas größeren heutigen Baugrundstück.

Die Realteilung führte auch zum Flurzwang. Der Landwirt war immer auf den Nachbarn angewiesen, wenn er sein eigenes Grundstück erreichen wollte. Wilsing hat 1897 in der Gemeinde Nohn mehrere Betriebe näher untersucht. Einer dieser Betriebe musste mangels Wegeanbindung z. B. zur Bewirtschaftung von 8 eigenen Parzellen jeweils 13–18 fremde Grundstücke überfahren. Bei weiteren 15 eigenen Parzellen musste er jeweils über 8–12 fremde Grundstücke, bei 36 Parzellen jeweils über 5–9 und bei 18 Parzellen jeweils noch über 1-4 fremde Grundstücke fahren.