Grandioser Erfolg 1924

Nach diesem grandiosen Erfolg im Emsland machte sich die CSVG daran, ihre Organisation in der Region zu festigen. Im Juni 1924 fand in Lingen ein Delegiertentag der „Christlich-Sozialen Volksgemeinschaft“ für den Wahlkreis Weser-Ems statt. Es nahmen ca. 120 Delegierte teil. Spitzenkandidat Elberg hob den großen Gewinn trotz der geringen Anzahl von Parteirednern und des scharfen Kampfs des Zentrums und der Presse gegen die Christlich-Sozialen hervor. Im Wahlkreis habe die Partei ca. 130 kommunale Mandate errungen, im Emsland sei sie die zweitstärkste Partei geworden. Im neu konstituierten Wahlkreisvorstand engagierten sich führende Vertreter des VCH. So wurde der Heuermann Bernhard Voß aus Hebeln bei Haren zum 2. Wahlkreisvorsitzenden gewählt, der VCH-Rechnungsführer Franz Speller zum 2. Kassierer der Partei. Als Beisitzer fungierten u.a. der Heuermann Dulle aus Dohren und VCH-Geschäftsführer Josef Deters[i].

Dies zwang die Zentrumspartei zum Handeln. Was genau geschah, ist mangels Quellen unklar. Allerdings scheint es zu einer Verständigung zwischen emsländischer Zentrumsführung und dem VCH gekommen zu sein. Der Inhalt der Vereinbarung sah wohl folgendermaßen aus: Der VCH verzichtete darauf, weiterhin die CSVG oder eine andere Partei organisatorisch, finanziell oder ideell zu unterstützen. Im Gegenzug sicherte die Zentrumspartei zu, sich verstärkt für die Ödlandkultivierung und die Belange der Heuerleute einzusetzen und einem VCH-Vertreter ein parlamentarisches Mandat zu verschaffen. Ein derartiges Arrangement war für den Heuerleuteverband weitaus attraktiver als eine nochmalige Unterstützung der CSVG, deren Chancen auf Reichs- und Landtagsmandate gering waren. Das Zentrum war demgegenüber eine einflussreiche, stabile Partei mit Regierungsverantwortung im Reich und in Preußen. Erahnen lässt sich dieser Kompromiss aus dem Dank des Reichstagsabgeordneten Dr. Heinrich Brauns an seine Wähler im Emsland zur Reichstagswahl vom Dezember 1924, die einen massiven Rückgang der CSVG-Stimmen in der Region brachte. Auf Wahlkreisebene sank die CSVG von 2,8% auf 0,8%. Die katholischen Heuerleute waren in großer Zahl wieder zum Zentrum zurückgekehrt. In seinem Dankschreiben wandte sich der Reichstagsabgeordnete Dr. Heinrich Brauns ausdrücklich an die Heuerleute, die im Mai dem Zentrum dem Rücken gekehrt hatten: „Ein besonderes Wort des Dankes gebührt in diesem Zusammenhang den tausenden von Heuerleuten, die bei dieser Wahl wieder zur Zentrumspartei zurückgekehrt sind. Dessen wird sich nicht bloß die Zentrumspartei des Wahlkreises Weser-Ems freuen, auch die Zentrumsfraktion des ganzen Reiches wird diese Tat der Heuerleute dankbarst anerkennen. Wir glauben, daß die von der christlich-sozialen Volksgemeinschaft zur Zentrumspartei zurückgekehrten Heuerleute schon ihrer ganzen religiösen Einstellung nach zur Zentrumspartei gehören. Sie können aber versichert sein, daß auch ihre wirtschaftlichen Interessen, genau wie die der übrigen Erwerbsstände und Gruppen, bei der Zentrumspartei gerechte Würdigung finden werden und daß auch diese wirtschaftlichen Interessen bei einer großen Partei besser geborgen sind, wie bei einer Splitterpartei, die im Reichstag keine Bedeutung hat[ii].

 

Seitdem unterstützte der „Verein Christlicher Heuerleute“ die Zentrumspartei und mischte sich mit Nachdruck in deren innerparteiliche Diskussion ein, um seine Auffassungen durchzusetzen. Anfang März 1925 etwa beschäftigten sich VCH-Versammlungen in Haselünne und Holte mit dem Thema „Zentrum und Pachtschutz im preußischen Landtag“. Dabei verabschiedeten die Heuerleute eine Resolution, in der sie sich gegen den von Franz von Papen gewünschten Rechtsruck der Partei aussprachen und seinen Ausschluss aus der Partei forderten, da er auf sozialem und wirtschaftspolitischem Gebiet nicht mehr auf dem Boden der Zentrumspartei stehe[iii]. Ebenso meldeten sich die Verbandsvertreter bei emsländischen Zentrumsparteitagen oder ähnlichen Gelegenheiten zu Wort.

Zur Provinziallandtagswahl und den Kreistagswahlen vom November 1925 wurde der „Verein Christlicher Heuerleute“ wiederum aktiv. Bei den Kreistagswahlen trat er in mehreren Kreisen mit eigenen Listen an. Zur Provinziallandtagswahl unterstützte er die Zentrumspartei, die dem Verbandsvorsitzenden Heinrich Kuhr einen sicheren Listenplatz eingeräumt hatte. Kuhr hatte sich im Gegensatz zu Deters nicht in der CSVG engagiert, so dass er unbelastet dieses Angebot annehmen konnte. Er war 1921 auf der Zentrumsliste in den Lingener Kreistag gewählt worden, hatte aber auf Parteiversammlungen immer wieder die Ausführungen verschiedener Reichstagsabgeordneter seiner Partei zur Siedlung kritisiert[iv]. Kuhr wurde gewählt und trat seitdem als Zentrumswahlredner in den nachfolgenden Wahlkämpfen auf[v]. Überdies rückte er in den Vorstand der „Zentrumsvereinigung Emsland“ und 1930 in die Landesleitung der preußischen Zentrumspartei ein. Seit 1928 betätigte sich der Heuerlingsvertreter überdies im Reichsvorstand des „Volksvereins für das katholische Deutschland“. Überall konnte er großen Einfluss für die Belange der Heuerleute ausüben.

Um die Interessen der Kleinlandwirte besser politisch durchsetzen zu können, schufen 1927 u.a. der „Reichsverband landwirtschaftlicher Klein- und Mittelbetriebe“, der „Deutsche Bauernbund“, der im Bentheimer Land aktiv war, und der mitgliederstarke „Bayerische Bauernbund“, eine Dachorganisation mit dem Namen „Deutsche Bauernschaft“. Die neue Organisation umfasste 17 relativ selbstständige Verbände mit rund 100.000 Mitgliedern. Im sechsköpfigen Vorstand vertrat Heinrich Kuhr den emsländischen Heuerlingsverband. Im Gegensatz zum weit mitgliederstärkeren Reichslandbund bekannte sich die „Deutsche Bauernschaft“ zur Republik von Weimar[vi].

 

 

[i] VG Nr. 60 vom 18.06.1924.

[ii] KVB Nr. 99 vom 13.12.1924.

[iii] LT vom 06.03.1925.

[iv] Siehe: LVB Nr. 16 vom 23.02.1921, LVB Nr. 26 vom 31.03.1923, LVB Nr. 35 vom 30.04.1924.

[v] LVB Nr. 142 vom 03.12.1925, siehe auch: LVB Nr. 52 vom 01.05.1928, EZ Nr. 273 vom 23.11.1928, LVB Nr. 173 vom 23.11.1928 (Teilnahme am Kölner Reichsparteitag des Zentrums).

[vi] Werner Fritsch, Deutsche Bauernschaft (DBs) 1927-1933, in: Dieter Fricke (Hrsg.), Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland 1789-1945, Bd. 1, Leipzig/Köln 1983 (weiterhin Fricke), 570-573 (weiterhin Fritsch), S. 570-571.