Gefährdung durch die Nazis

Angesichts der zunehmenden Gefährdung der Republik von Weimar intensivierte der VCH seine Versammlungstätigkeit, wobei neben berufspezifischen Fragen und der Siedlungsproblematik verstärkt aktuelle politische Themen behandelt wurden. So sprach sich der Verband beispielsweise in einer Zeitungsanzeige im August 1931 gegen den von den rechten Republikgegnern initiierten Volksentscheid gegen die Preußenregierung aus und empfahl den Mitgliedern, den Volksentscheid zu boykottieren oder mit „Nein“ zu stimmen[i]. 1932 warb der VCH in Aufrufen für die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten, um eine Präsidentschaft des NSDAP-Parteiführers Adolf Hitler zu verhindern[ii]. Die steigende wirtschaftliche Not trieb, so die Einschätzung des Verbandes, immer mehr Heuerleute in den VCH, um dessen Hilfen in Anspruch zu nehmen[iii]. Der politische Wind wehte dem Verband in der Weltwirtschaftskrise, von der im landwirtschaftlichen Bereich die extrem rechten Parteien profitierten, zunehmend entgegen. So wehrte sich der Bauernfunktionär und Zentrumspolitiker Clemens Hesemann (1897-1981) aus Handrup, 1933 kurzzeitig emsländischer Zentrumsvorsitzender, auf einer Wahlveranstaltung seiner Partei in Langen im Sommer 1932 gegen das Schlagwort der Rechtsparteien des Landstrichs vom „Siedlungsbolschewismus“, mit dem diese die Arbeit des VCH zu diskreditieren suchten. Er sprach sich eindeutig für die Siedlung aus[iv]. Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten warb der Kleinbauernverband weiterhin für die Demokratie von Weimar. Auf einer Notkundgebung Anfang Januar 1933 in Lingen machten folglich die Verbandsvertreter den versammelten Heuerleuten und Knechten klar, nicht das „System“ sei an der Notlage schuld, sondern eine verfehlte Agrarpolitik[v]. Wo der Verband politisch stand, wurde bei dieser Gelegenheit wieder augenscheinlich demonstriert. Als Gastredner trat der regionale Zentrumsreichstagsabgeordnete August Wegmann (1888-1976) aus Oldenburg auf. Überdies beschlossen die Anwesenden, dem von den rechten Parteien wegen seiner fortschrittlichen Sozialpolitik heftig befehdeten ehemaligen Zentrumsminister Dr. Heinrich Brauns zu seinem 65. Geburtstag demonstrativ ein Glückwunschtelegramm zu senden[vi].

 

[i] HZ Nr. 90 vom 04.08.1931.

[ii] EZ Nr. 80 vom 06.04.1932 oder FVB Nr. 43 vom 09.04.1932. Das offensive Eintreten für Hindenburg wurde vorher in Ortsgruppenversammlungen ausführlich begründet (siehe z.B. für die Ortsgruppe Dohren: HZ Nr. 33 vom 19.03.1932). Auch beim zweiten Wahlgang warb der VCH für Hindenburg (HZ Nr. 40 vom 07.04.1932).

[iii] FVB Nr. 154 vom 25.12.1931.

[iv] FVB Nr. 87 vom 20.07.1932.

[v] Lengericher Nachrichten, Ankum, Nr. 6 vom 08.01.1933.

[vi] KVB Nr. 6 vom 07.01.09.1933.