Industrieheuerlinge rund um GMHütte 2

Und nun geschah ab dem Jahre 1856 rund um das Dorf Malbergen südlich von Osnabrück etwas, das sowohl die Bauern als auch die Heuerleute in seltener Eintracht als ein großes Unglück für die ganze Umgebung 2 bezeichneten.

Malbergen selbst war nach der Volkszählung von 1848 eine kleine Bauerngemeinde mit 60 Wohnplätzen und 383 Einwohnern, im Vergleich zu anderen Ortschaften des Amtes Osnabrück eine Gemeinde mittlerer Größe. Die Häuserliste von 1858 nennt 29 Höfe und etwa 25 Heuerstellen.3

Was passierte nun rund um Malbergen und wie war es dazu gekommen?

Der Landesherr König Georg V. von Hannover sah es mit zunehmender Sorge, dass die enorme industrielle Entwicklung insbesondere  in England sein eigenes Staatsgebiet wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten ließ. Vornehmlich Eisen und Stahl mit entsprechenden Bearbeitungsbetrieben mussten her, um zunächst einmal durch einen gezielten Ausbau des Schienennetzes und weiterer Infrastrukturmaßnahmen die Entwicklung aus der reinen Agrarwelt heraus voranzutreiben. Dazu ließ er seine Fachleute Ausschau halten nach  gleichzeitigen Eisenerz- und Kohlevorkommen..

Seine Berater wurden aufmerksam auf ein kleines Hüttenberg in Beckerode südlich von Osnabrück.  König Georg V. wurde selbst aktiv, indem er eine Aktiengesellschaft gründen ließ, der er aus seiner persönlichen Schatulle 270.000 Taler zur Verfügung stellte. Das ermunterte weitere Geldgeber nach dem Motto: Wenn der König selbst einsteigt, dann sind wir auch mit unseren Geldanlagen auf der richtigen Seite.

Am 4. Juni 1956 kam es zur Gründung der Aktiengesellschaft „Georgs – Marien – Bergwerks – und Hüttenverein“, für die das hannoversche Herrschaftspaar König Georg V. und Königin Marie die Namenspatenschaft übernahmen. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug 2.50000 Taler. Schon am nächsten Tage erfolgte der Kauf der Beckenroder – Hütte für einen Preis von 350.000 Goldtalern.4

Als Platz für das neue und größere Hüttenwerk wurde das weithin ebene Dütetal ausgewählt, das auch ausreichende Wasservorräte für eine spätere Betriebsführung zur Verfügung stellen konnte.

Es liegt nämlich in der Mitte zwischen den wichtigen Rohstoffvorkommen Eisenerz und Kohle, aus denen in einem Verhüttungsprozess im Hochofen Roheisen gewonnen wird. Nach Probebohrungen geht man 1856 von Kohlevorräten für Jahrhunderte aus. In Oesede, Kloster Oesede, Hilter und Hankenberge werden Förderanlagen eingerichtet. (…) Doch die Kohlevorkommen erweisen sich als Flop. Immer wieder laufen die Schächte voll Wasser, die Kohleflöze sind längst nicht so mächtig wie erwartet und die Kohle selbst ist von schlechter Qualität. Noch vor der Jahrhundertwende werden die meisten Förderanlagen wieder geschlossen.

Das Eisenerz am Hüggel hingegen erweist sich als großer Glücksfall. Es kommt in großer Menge in nordwestlicher Richtung im Hüggel auf Hasberger Gemeindegrund vor. Dieser Bodenschatz ist ein echter Schatz. Das Eisenerz ist phosphorarm und lässt sich im so genannten Bessemerverfahren zu einem ausgezeichneten Hocheisen “verhütten”. Mit diesem Roheisen wird die Hütte in den 1860er Jahren in ganz Deutschland zum Marktführer.5

Zur Ansiedlung des Hüttenbetriebes konnte ein Großteil des Schulten Hofes  angekauft werden und man begann mit dem Bau der Hütte.

Dazu brachte man in Anfangsphase über 1000 Facharbeiter aus anderen Teilen Deutschlands mit in diese bisher rein agrarisch strukturierte Gegend. Ein Großteil dieser Neuankömmlinge stammte aus dem Harz und hatte von daher Vorerfahrungen im Erzabbau. Die fast durchweg katholische Bevölkerung rund um das damalige Osnabrück empfand diesen plötzlichen Bevölkerungsanstieg als ein großes Unglück (…), dass es auf jeden Fall zu verhindern galt.6  Dass diese Zuwanderer zudem noch durchweg protestantischen Glaubens waren, verschlimmerte die Lage in den Augen der angestammten Bauern und Heuerleute zudem noch.

Man leistete nicht die geringste Hilfe und gewährte den in großen Scharen zuziehenden Bauarbeitern weder Wohnung noch Beköstigung und wenn, dann nur zu stark erhöhten Preisen.(…) Auf die heutige Zeit bezogen war es wohl so, als ob hier ein Atomkraftwerk gebaut werden sollte.7

Deshalb wurde die Leitung des neuen Hüttenwerkes von sich aus schnell aktiv und baute in Windeseile Wohnungen für die angereiste Männerschar. So waren bereits im November 1856 insgesamt 70 Häuser in Fachwerkbauweise errichtet worden. Dort konnten schon mehr als 2000 Arbeiter einquartiert werden.