Besiedlung des Bourtanger Moores (Vergleich Holland – Deutschland) 1

Diese undatierte Broschüre des Verein zur Förderung der Wohlfahrt des Emslandes e. V. in Osnabrück berichtete  in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen über die enormen Entwicklungsunterschiede im Bourtanger Moor beiderseits der Grenze

am Beispiel Straßen:

HOLLÄNDISCHER GRENZÜBERGANG BEI RHEDE

Im Bilde sehen wir das deutsche, preußische, hannoversche Ziel. „Wo die Kultur zu Ende ist, fängt Deutschland an!”. Das letzte Ende von einem Stück Holland an einem Übergang zur deutschen Grenze! Ein Bild, vom Objektiv erfaßt kurz hinter letzten holländischen Häusern! Jenseits der Grenze der unzulängliche deutsche Notweg, zu dessen Seiten keine Kultur blüht, nein, wo die grausame Heideeinsamkeit und die Mooreinsamkeit sich mit dem Elend die abgemagerten Hände reichen. Und gerade dort jenseits der holländischen Grenze ruhen auf deutschem Gebiet Goldwerte für alle kommenden Generationen des deutschen Volkes! Sie müssen nur erschlossen werden, sie müssen nur das Betriebskapital finden können, das Deutschland, Preußen, Hannover im wahrsten Volkssinne des Wortes diesem Gebiete bisher nicht gewährt haben, diesem Gebiete, aus dem bei richtiger Bewirtschaftung Milliardenwerte für das deutsche Volk erarbeitet werden können.

EINE „STRASSE” AM NORD – SÜDKANAL

Eine bekannte holländische Tageszeitung hat einmal — und zwar vom holländischen Standpunkt mit Recht—geschrieben, Deutschland beginne dort, wo die Kultur aufhöre. Während an den Kanälen, die Holland durch Heide und Moor gegraben hat, saubere und breite Straßen laufen, die mit Klinkersteinen gepflastert sind oder mit Asphalt gedeckt, sinken auf den meisten Straßen, die sich längs der deutschen Kanäle erstrecken, Fuß und Rad in Schmutz und Sumpf. Während an den holländischen Kanälen vorbildliche Siedlungsarbeit sowie gewinnbringende und im wahrsten Sinne volkswirtschaftliche Bodenkultur geleistet wird, herrscht auf deutscher Seite volkswirtschaftswidriges Bauernelend und Heuerlingselend. Im Emsland gibt es noch heute 112 Gemeinden oder größere Ortsteile, die keine festen Straßen haben, sondern nur auf grundlosen Sandwegen zu erreichen sind.

EINE HOLLÄNDISCHE KANALSTRASSE ZWEITER ORDNUNG

So sieht eine holländische Straße zweiter Ordnung aus, die an der Seite einer Wasserstraße nahe der deutschen Grenze entlangführt. Die Straßen erster Ordnung sind derart, daß wir ähnliches in weiten Strecken des Deutschen Reiches nicht besitzen. Die Erklärung für diesen Gegensatz liefert nicht der verlorene Krieg, weil auf diesem Gebiete schon weit vor dem Kriege unendlich viel zum Schaden der deutschen Volkswirtschaft versäumt worden ist. Es fehlte an Erkenntnis für den Wert der inneren Kolonisation im Zusammenhang mit der notwendigen Rücksichtnahme auf Bevölkerungspolitik,Handelsbilanz und Zahlungsbilanz. Denn in Gebieten, die zum Nutzen des Volks. ganzen kultiviert und besiedelt werden, ist die Straße alles, und zwar in gleicher Weise die Wasserstraße wie die Landstraße, abgesehen von den Eisenbahnverbindungen. Erst müssen Verkehrsmöglichkeiten geschaffen werden, ehe eine volkswirtschaftlich ertragreiche Siedelung gedeihen kann. Nur dort, wo durch die Verkehrsmöglichkeit die Weiterbeförderung landwirtschaftlicher und industrieller Erzeugnisse zu den Absatzmärkten gesichert ist, gedeiht die Siedlerarbeit und bietet Anreiz zu weiteren Siedelungen. Der einsame Moorsiedler oder Heidebauer, dem kein Verkehrsweg zu den Absatzmärkten zur Verfügung steht, leistet unproduktive Arbeit, wenn er mehr als das produziert, was er zu seinem eigenen Unterhalt benötigt.

KLINKERSTRASSE UND SIEDLERKOLONIE IM HOLLÄNDISCHEN GRENZLAND

Diese Tatsache haben die Niederlande früh erkannt. Zuerst schufen sie nach der Urbarmachung die Verkehrswege, dann erst die großen Siedelungen. Was sie damit erreicht haben, das zeigt neben vielen anderen Beweisen der Jahresbericht der Osnabrücker Handelskammer über das Jahr 1869. Damals konnte er noch über das Emsland und du weitere Wirtschaftsgebiet berichten: „Die Ausfuhr an Eiern nach England, Holland und der Rheinprovinz ist bedeutend und nimmt in jedem Jahre zu. Auch Butter wird stark exportiert.” Diese Zeiten sind längst vorbei. Deutschland importiert unendlich viele Nahrungs­mittel zum Schaden seiner Handelsbilanz und Zahlungsbilanz, ja, es ist vielfach gezwungen, Auslandskredite, die verzinst und amortisiert werden müssen, zu diesem einen Zwecke aufzunehmen, ausländische Nahrungsmittel deshalb zu importieren, weil in Deutschland so un. endlich viel an Bodenkultur und innerer Kolonisation versäumt worden ist. Welches Gebot ergibt sich daraus? Heran an die Arbeit: Jeder Pfennig, der für diese Zwecke gespendet wird, gestaltet sich im Werdegang von Generationen zu einem Millionenkapital!

Fotos aus der Broschüre - Herkunft unbekannt